Abgründe einer aus dem Ruder gelaufenen Gesellschaft:_Gerhard Schedls "Der Ficus spricht".

Foto: Armin Bardel

Wien – Es muss der Alptraum schlechthin sein für so manchen Vokalartisten: Ein Opernsänger wird auf einer Probe von drei Regisseuren gleichzeitig drangsaliert. Knoblauch und Kruzifix, schnell! Der Theaterregisseur philosophiert dabei ausufernd, der Filmregisseur bellt Kommandos wie ein Drill-Sergeant der Army, und die Opernregisseurin, ganz in wallendes Rot gekleidet, sucht der geschundenen Künstlerseele Leidenschaft einzuhauchen: "Con passione! Fortissimo!"

Amüsante Farce

Die Neue Oper Wien zeigt im Werk X Peter Eötvös‘ – 1976 komponierten – Einakter Radames, und in diesem wiederum wird an einem zwangsfusionierten Mehrspartenhaus versucht, die finale Sterbeszene aus Verdis Aida zu proben: mit drei Orchestermusikern, einem Countertenor und drei Regisseuren. Eötvös, hier auch Librettist, gelingt eine amüsante Farce über die Dominanz der Regie und die Drangsalierung der Musik.

Leonard Prinsloo hat das wilde Treiben seiner Kollegen klischeefreudig in Szene gesetzt: Der Theaterregisseur (Alexander Kaimbacher) trägt einen Schal und säuft, der taffe Filmregisseur (Dieter Kwschendt-Michel) aus den USA trägt Baseballkäppi. Fein, dass Kaimbacher glaubhaft outrieren kann, wundervoll auch Laura Schneiderhan als Milva-hafte Advokatin der Passion. Tim Severloh ist als Sängeropfer der dreifaltigen Regiemacht eine Idealbesetzung, und Anna Sushon koordiniert Eötvös‘ übersichtlichen Musikpart entspannt vom Keyboard aus.

Wahrheitssuche bis Wichsen

Da hat Walter Kobéra mit dem amadeus ensemble-wien zuvor bei Gerhard Schedls Der Ficus spricht mehr zu tun: In der amüsanten Abstrusität erfreut der 2000 verstorbene Komponist mit einem bunten Strauß an Stilen von Walzeranklängen bis zum Jazz; im Libretto von Franzobel ist der Weg von der Wahrheitssuche zum Wichsen kein weiter. Premierenapplaus für alle, nicht zu vergessen Wolfgang Resch, der als Volkssänger glänzend unterhält, und Eötvös. (Stefan Ender, 15.6.2018)