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Die Zahl der Obdachlosen steigt in Seattle rasant. Das liegt auch daran, dass immer mehr Menschen in die Stadt ziehen und den Wohnraum verknappen.

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Seattle – Die Obdachlosensteuer in Seattle ist am Dienstag auf Druck von Amazon und anderen Unternehmen nur wenige Wochen nach ihrem Beschluss wieder gekippt worden. Die geplante Abgabe hätte für Unternehmen mit mehr als 20 Millionen Dollar Jahresumsatz gegolten und diese pro Mitarbeiter und Jahr 275 Dollar gekostet.

Die Steuer hätte damit mehr als 500 Unternehmen betroffen und der Heimatstadt von Amazon und Starbucks jährlich rund 45 Millionen Dollar eingespielt. Mit der auf fünf Jahre angesetzten Abgabe wollte Seattle leistbaren Wohnraum schaffen und die wachsende Obdachlosigkeit in der Metropole im Nordwesten der USA bekämpfen.

Großunternehmen wehren sich

Amazon, das mit rund 40.000 Mitarbeitern der größte Arbeitgeber vor Ort ist, hätte aufgrund der neuen Steuer rund elf Millionen Dollar zusätzlich pro Jahr zahlen müssen. Gemeinsam mit anderen Unternehmen kampagnisierte der Onlinehändler gegen die Abgabe. Amazon hatte zudem angedroht, seine Ausbaupläne in der Stadt zurückzunehmen, sollte die Steuer tatsächlich kommen.

Seattles brummende Wirtschaft hatte zuletzt zu steigenden Mietpreisen geführt und leistbaren Wohnraum für Normalverdiener verknappt. Fast die Hälfte aller Einwohner gibt mehr als ein Drittel ihres Einkommens für Wohnen aus.

Immer mehr Obdachlose

Das liegt auch daran, dass große Unternehmen immer mehr gutverdienende Mitarbeiter in die Metropolregion ziehen. Im Jänner wurden in der Stadt 12.000 Obdachlose gezählt, vier Prozent mehr als im Vorjahr.

Advokaten der Obdachlosensteuer hatten argumentiert, dass große Konzerne ihren Beitrag zur Bekämpfung der Wohnungsnot leisten sollten, weil sie selbst zum Überhitzen der Immobilienmärkte beitrügen. Die von der Steuer betroffenen Großunternehmen lobten die Entscheidung als richtig für die wirtschaftliche Prosperität in der Region.

Suche nach Zweitsitz

Kshama Sawant, Stadträtin in Seattle und Befürworterin der Obdachlosensteuer, beklagte auf Twitter, dass deren Rücknahme heimlich eingefädelt worden sei. Amazon und andere große Unternehmen hätten die Stadtverwaltung schikaniert, bis diese kapituliert habe.

Andere Metropolen in den USA dürften die Ereignisse in Seattle genau verfolgt haben. Amazon sucht gerade einen zweiten Standort und lässt sich dabei mit steuerlichen Vergünstigungen hofieren. Der Bundesstaat Michigan hat dem Konzern vier Milliarden Dollar angeboten, sollte dieser sich für Detroit als Zweitsitz entscheiden – und hat es damit nicht einmal unter die 20 für Amazon möglichen Standorte geschafft. (red, 14.6.2018)