Wiener Neustadt – Oberstleutnant Roland Pulsinger ist die fachliche Qualifikation kaum abzusprechen: Er ist der einzige staatlich geprüfte Reitlehrer in allen drei Sparten: Dressur, Springen, Vielseitigkeit. Zudem leitete der 46-Jährige zuletzt die Reitausbildung für die Offiziere des Bundesheeres – solange es sie noch gab. 2015 stellte das Verteidigungsministerium, damals unter roter Führung, das Reitprogramm in der Theresianischen Militärakademie (Milak) in Wiener Neustadt ab. Und Pulsinger wurde wieder hauptberuflich Kraftfahroffizier.
Bis jetzt: Denn für die berittene Polizeieinheit, die Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) im Eiltempo umsetzen will, steht Pulsinger schon als Ausbildungsleiter fest. Für Kickl ist er gar "Garant dafür, dass die berittene Polizei in Österreich ein Erfolgsprojekt wird".
Hört man sich in Wiener Neustadt um, gewinnt man allerdings einen anderen Eindruck.
"Absoluter Selbstoptimierer"
Militärs etwa, die mit Pulsinger zu tun hatten oder haben, stimmen in die Begeisterung nicht unbedingt ein – das Innenministerium sollte bei der Personalauswahl etwas umsichtiger sein, sagt einer gar zum STANDARD unter Zusicherung von Anonymität. Pulsinger kenne die Gegebenheiten in Wiener Neustadt zwar sehr gut und sei auch ein qualifizierter Sportreiter. Gleichzeitig wird er aber auch als "absoluter Selbstoptimierer" gesehen.
Einen ernsten Wickel mit dem Ministerium gab es, als Pulsingers Ehefrau ein Gewerbe anmeldete – laut Verteidigungsminsterium ging es um die Nutzung eines Geländeteils, die so nicht vereinbart war. Der Kurier berichtete, das Ministerium habe das nach Bekanntwerden "sofort abgestellt". Derzeit wird dort geprüft, ob Frau Pulsinger dafür rückwirkend zahlen muss.
Verfolgung mit Traktor
Im Clinch liegt Pulsinger außerdem mit dem privaten Reitverein nebenan: Dort reiten Kinder, Jugendliche und Senioren seit Jahrzehnten in Zivil, aber auf Heeresgelände – zuletzt sorgten sich die privaten Reiter, die Polizeiausbildung könnte ihren Betrieb stören (der STANDARD berichtete). Erste Streitereien gab es bereits rund ums Jahr 2006, erzählt man im Verein, damals ging es um gemeinsam genutzte Wege. Man hätte sich dann aber rechtsfreundlich geeinigt.
Später hätte Pulsinger reitende Kinder mit dem Traktor "verfolgt" und kam "dabei Ross und Reiter so nahe, dass akute Gefahr entstand, vom Pferd zu fallen", wie eine besorgte Mutter in einer Beschwerde an den Milak-Chef schrieb.
Rechtsstreit mit Zivilreitern
2016 landete der Konflikt aber vor Gericht – der Verein hatte Pulsinger vorgeworfen, mutwillig den Parkplatz zu verstellen, an dem Eltern ihre Kinder zur Reitstunde abliefern. Das Verfahren endete ohne Urteil, es wurde Stillschweigen vereinbart.
Auch intern habe sich Pulsinger nicht beliebt gemacht – zwei Disziplinarverfahren hätten sich bereits mit Pulsinger beschäftigt, erzählt man in der Milak.
Blaues Netzwerk
Einfach dürfte die Zusammenarbeit mit Pulsinger also jedenfalls nicht sein. Dennoch darf der Oberstleutnant, der derzeit hauptberuflich Bundesheer-Lkws fährt, nun wieder seine Leidenschaft zum Beruf machen. Neben seiner Qualifikation könnte dabei sein gutes Netzwerk von Vorteil gewesen sein: Pulsinger ist Funktionär im privaten Heeresreitsportverein (HRSV), gemeinsam mit Werner Kaizar. Kaizar ist Pulsingers Freund und Pressesprecher von Dominik Nepp, Wiener Vizebürgermeister (FPÖ) – und kann nicht nur besonders gut mit Pferden, sondern auch mit dem Innenminister, heißt es.
Pulsinger stand für keine Stellungnahme zur Verfügung und verwies auf die Pressestelle des Verteidigungsministeriums (BMLV). Dort hieß es am Dienstag, es gebe keine anhängigen Disziplinarverfahren gegen Pulsinger – abgeschlossene werden nach einem Jahr gelöscht. Vom Einsatz einer bewaffneten Einheit am Parkplatz weiß man dort genauso wenig wie von der Beschwerde wegen der angeblichen Traktorverfolgung.
Ministerium schätzt Pulsinger
Und das Innenministerium, künftiger Dienstgeber Pulsingers? Das wisse von all den Vorwürfen nichts, sagt ein Sprecher. Der künftige Ausbildungsleiter werde aber aufgrund seiner Expertise "sehr geschätzt" – und nur die zähle fürs Ministerium. (Sebastian Fellner, 13.6.2018)