Der Donaupark in Wien, 1964 eröffnet, sollte "soziales Grün" bieten und für alle offen sein – erfolgreich, findet Lilli Licka.

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Lilli Licka: "Wenn Parks gut funktionieren, drohen sie an ihrem Erfolg zu scheitern und von der Eventkultur kommerzialisiert zu werden."

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Freiräume und urbane Entwicklung: Mit diesen Themen beschäftigt sich Lilli Licka schon seit vielen Jahren. Die Boku-Professorin für Landschaftsarchitektur ist außerdem Co-Betreiberin des Büros für lustige Angelegenheiten (BLA), das mit seinen provokativen Performances im Stadtraum durchaus ernste Sachen anspricht. Dabei klettert sie auch mal über Zäune und läuft als Sitzbank verkleidet durchs Museumsquartier. Licka ist Organisatorin der Konferenz für Landschaftsarchitektur X-Larch, die vergangene Woche in Wien stattfand, heuer unter dem Motto Park Politics.

STANDARD: Was hat ein Park mit Politik zu tun?

Licka: Es wird heutzutage viel über Freiraum, Beteiligung und Nutzungen diskutiert. Dabei geht es aber selten darum, wer wirklich die Entscheidungen trifft und wie der Freiraum am Ende aussieht. Kaum jemand weiß, dass die Stadt Wien ein Parkleitbild hat, in dem alles bis zur Hundeauslaufzone genau festgelegt ist. Wir wollen aufdecken, wer etwas zu sagen hat und steuert.

STANDARD: Parks als Spiegel der Gesellschaft also?

Licka: Der schwedische Landschaftsarchitekt Sven-Ingvar Andersson hat 1981 in seinem Buch "Parkpolitik" festgeschrieben, wie ein Park zu gestalten ist. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, wie die Gesellschaft auszusehen hat. Banales Beispiel: Wenn gewünscht ist, dass der Familienvater am Sonntag mit der Familie spazieren geht, muss der Weg breit genug sein. Bei Parks kommt noch dazu, dass hier die Beziehung von Mensch und Natur zum Ausdruck kommt. Es geht also auch um kulturelle Definitionen.

STANDARD: Wie sehen hier die Definitionen der Gegenwart aus?

Licka: Ein aktueller Trend ist die Sehnsucht nach Natur. Man spricht heute auch wieder von "Wildnis" in der Stadt. Es wird rauer, wilder, die Gräser werden höher. Es gibt in Wien beim Hotel Daniel ein repräsentatives Stück Grün, auf dem Weinreben stehen. Vor zehn Jahren wäre niemand auf so eine Idee gekommen.

STANDARD: Sind die Trends und Tendenzen global, oder gibt es regionale Unterschiede?

Licka: Die Konferenz widmete sich auch der Frage, wie Gestaltungsideen um den Globus wandern. Der kulturelle Aspekt geht dabei oft unter, weil Stilelemente übernommen werden, die in anderen Kontexten jedoch nicht unbedingt funktionieren. Medellín bekommt Preise für Parks verliehen, deren gestalterische Ideen aber aus Barcelona kommen.

STANDARD: Auf der anderen Seite drohen Parks, wenn sie gut funktionieren, an ihrem Erfolg zu scheitern und von der Eventkultur kommerzialisiert zu werden. Stichwort Donaukanal in Wien.

Licka: Es gibt den Begriff der "grünen Gentrifizierung". Das Paradebeispiel dafür ist der High Line Park in New York. Dessen Gestaltung wurde professionell umgesetzt und hat viele Preise bekommen. Er ist aber heute überfüllt, und daneben stehen jetzt Luxuslofts von Zaha Hadid. Untersuchungen belegen, dass die Zusammensetzung der Besucher dort nicht der der Umgebung entspricht, und auch nicht der von vergleichbaren Parks.

STANDARD: Sie haben anhand des 1964 eröffneten Donauparks erforscht, wie sich der Anspruch der Sozialdemokratie der Nachkriegszeit an "soziales Grün" niedergeschlagen hat. Was ist denn "soziales Grün"?

Licka: Das "soziale Grün" ist ein fixer Begriff, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufkam, als Ergänzung zum sanitären Grün, bei dem es um Erholung und Gesundheit geht, und zum dekorativen Grün. Dieser Versorgungsgedanke ist typisch für die Sozialdemokratie der Nachkriegszeit. Es ging darum, den Stadtbewohnern ausreichend Raum zur Verfügung zu stellen, in dem sie sich frei bewegen können. Man wollte knapp 20 Jahre nach dem Krieg auch den Anschluss an die internationale Gemeinschaft demonstrieren, sowohl in der sozialen Haltung als auch in der Gestaltung.

STANDARD: Wie haben Sie den Donaupark erforscht?

Licka: Wir haben mit Studentinnen analysiert, ob die Nutzung mit den ursprünglichen Konzepten korreliert – was nicht leicht zu beantworten ist. Wir kamen zum Schluss, dass der Park als sozialer Raum erfolgreich war und ist. Was der öffentlich nutzbare Raum können soll, ist, eine Einladung an alle auszusprechen, sich darin aufzuhalten. Da geht es um Zugänglichkeit, Erreichbarkeit, Barrierefreiheit im Sinne eines Nichtausschließens, auch in der Gestaltung. Parks sprechen bestimmte Gruppen besonders an und andere nicht. Im Stadtpark sind das andere Personengruppen als in der Wildwiese am Gaudenzdorfer Gürtel. Da spricht die Gestaltung oder Nichtgestaltung Einladungen aus.

STANDARD: Die Leistung von Landschaftsarchitekten fällt in der Öffentlichkeit gerne unter den Tisch. Bei der Mariahilfer Straße etwa wurden die planenden Büros selbst von der Stadt Wien kaum erwähnt.

Licka: Es gibt eine große Wissenslücke. Dass Alfred Auer den Donaupark entworfen hat, weiß kein Mensch. Das ist aber eine wichtige Voraussetzung, das Fach zu verstehen. Österreich hinkt da den nördlichen Nachbarn hinterher oder auch der Schweiz. Auch deshalb haben wir an der Boku das Archiv für österreichische Landschaftsarchitektur gegründet. (Maik Novotny, 13.6.2018)