Ein Gelege kann aus bis zu 15 Küken bestehen – das bedeutet viel Arbeit für die Eltern. Wenn ein Elternteil ausfällt, kann das den Tod für die gesamte Brut.

Foto: Julius Kramer

Seewiesen – Damit es zumindest einige Blaumeisenküken bis zum Flüggewerden schaffen, müssen beide Elternteile ihr Bestes geben. Verschwindet eines der beiden erwachsenen Tiere, kann es für den Nachwuchs jedoch problematisch werden. Alleinversorgende Männchen haben es dabei besonders schwer, ihre Nachkommen am Leben zu halten, wie nun Wissenschafter in Deutschland herausfanden.

Blaumeisen legen üblicherweise 8 bis 15 Eier in ein Nest, aus dem 21 Tage nach dem Schlüpfen die Jungtiere ausfliegen. In einigen Nestern jedoch sterben alle Küken noch bevor sie alt genug sind, das Nest zu verlassen. Die Gründe für einen kompletten Brutverlust waren bisher unklar. Ein Elternteil könnte zum Beispiel die Jungenaufzucht komplett seinem Partner überlassen haben, oder beide Eltern könnten auch gemeinsam entschieden haben, die Brut zu verlassen. Peter Santema und Bart Kempenaers vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen (Oberbayern) haben in ihrer im Fachjournal "Journal of Animal Ecology" präsentierten Studie eine Methode entwickelt, mit der sie herausfinden konnten, wann genau die Eltern aufhören, Futter zum Nest zu bringen und wann der Nachwuchs verloren geht.

Automatische Überwachung

Dazu haben die beiden Forscher alle erwachsenen Blaumeisen in ihrer Studienfläche mit einem winzigen Microchip-Transponder ausgestattet. In alle Nestboxen in der Fläche wurde ein automatisches Überwachungssystem eingebaut, das jeden Besuch eines Vogels mit Transponder über das ganze Jahr aufzeichnete. So konnten sie jeden Besuch der 277 Nestboxen analysieren und feststellen, wann ein Elternteil zuletzt am Nest war. Im Falle des plötzlichen Verschwindens eines Elternteils haben sie untersucht, wie oft das verbleibende Elternteil das Nest vor und nach dem Verschwinden seines Partners besucht hat.

Von den 684 Nestern, die sie über sieben Jahren analysieren konnten, haben dreizehn Prozent die Brut komplett verloren. Bei fast allen dieser Nester verschwand eins der Elternteile, während die Jungen noch gelebt haben. "Bis auf eine Ausnahme sind alle verschwundenen Vögel nie wieder im Studiengebiet aufgetaucht", sagt Kempenaers. Dass ein Elternteil die Brut verlassen und die Aufzucht dem Partner überlassen hat, ist also unwahrscheinlich.

Raubtieropfer

Auch die Besuchsraten der Eltern im Nest waren normal bis zum Zeitpunkt des Verschwindens, was auf ansonsten gesunde Individuen hindeutet, die nicht erschöpft ihre Brut aufgeben mussten. "Mit all diesen Beweisen liegt es auf der Hand, dass das plötzliche Wegbleiben eines Elternteils durch seinen Tod verursacht wurde", sagt Santema, Erstautor der Studie. Das ununterbrochene Anfliegen zum und vom Nest macht die Eltern anfällig für Fressfeinde aus der Luft, vor allem dem Sperber.

Das Fehlen eines Elternteils muss aber nicht zwangsläufig das Ende der ganzen Brut bedeuten. In mehr als zwei Drittel der Fälle, bei denen zuvor ein Elternteil verschwand, erreichte zumindest ein Teil der Nestlinge das Ausflugsalter. Die Wahrscheinlichkeit für eine trotzdem erfolgreiche Brut war höher, wenn das Männchen verschwunden war. "Die Nestlinge können nicht die Temperatur im Körper konstant halten, so lange sie keine Federn haben. Nur Weibchen haben einen Brutfleck und damit die Möglichkeit, sie warm zu halten", sagt Peter Santema. Das könnte ein Grund sein, warum alleinerziehende Männchen generell weniger erfolgreich waren als Weibchen. (red, 17.6.2018)