War der Auszug der Mandatarinnen aus dem Nationalrat bei der Angelobung von Peter Pilz ein feministischer Aufschrei? Für sich betrachtet: Nein. Zunächst einmal war es eine wohlfeile Gelegenheit, einem politischen Kontrahenten, der eh schon auf dem Boden liegt, eins auszuwischen. Einfache Sache: aufstehen, rausgehen, Aufmerksamkeit und Applaus bekommen – von den Männern in der eigenen Partei und von den Medien. Man muss der Zweiten Nationalratspräsidentin Doris Bures, die übrigens sitzen blieb, allerdings recht geben: Wenn das der Beginn eines Kulturwandels über Parteigrenzen hinweg sein sollte, der gegen frauenfeindliche Tendenzen auch in den eigenen Reihen auftritt, dann allemal. Wenn. Das wird sich zeigen.

Immerhin haben die Querelen um die Liste Pilz und deren Parteigründer, der Nichtverzicht und die angedrohte "Verbannung" von Martha Bißmann und das Platzmachen von Maria Stern für diesen dazu geführt, dass in Österreich wieder über Feminismus diskutiert wird. Immerhin. Wäre der Anlass nicht so komisch bis tragisch und die Lösung des Pilz-Problems aus feministischer Sicht nicht so unbefriedigend: Man könnte das als Fortschritt sehen.

So aber fragte sich nicht nur jüngst Ö1-Morgenjournal-Interviewer Franz Renner, was daran feministisch sein soll, dass Stern zugunsten von Pilz auf ihr Mandat verzichtete. Das fragen auch viele, die sich, mit Stern gemeinsam, für das Frauenvolksbegehren eingesetzt oder zumindest mit diesem sympathisiert haben. Stern selbst hatte ihren Schritt ja als "feministischen Akt" bezeichnet und so begründet: Feminismus bedeute "selbst zu handeln" und Verantwortung zu übernehmen.

Viele Vorstellungen von Feminismus

Nun gibt es nicht DIE Definition von Feminismus, wie sie Alice Schwarzer predigt. Es gibt viele, pluralistische Vorstellungen von Feminismus. Aber auch in modernen Definitionen von Feminismen fällt "handeln" und "Verantwortung übernehmen" nicht darunter. Handeln kann man auch antifeministisch, und Verantwortung zu übernehmen hat mit Erwachsensein zu tun, nicht mit Feminismus.

Sollte Stern gemeint haben, sie habe sich selbst "ermächtigt" – nun ja, dann ist Sterns Verzicht zumindest eine schräge Interpretation von Empowerment: Pilz, dem Frauen Belästigung vorwarfen, ist zurück im Parlament, zwei Männer nahe dem Pensionsalter sind Klubobmänner, eine Frau – Martha Bißmann – steht vor dem Parteiausschluss und wurde öffentlich als "Oberzicke" hingestellt. Die Männer der Liste Pilz haben hier ganze Arbeit geleistet, ein gängiges Klischee gegenüber einer unbequemen Frau zu strapazieren.

Man muss Maria Stern vorwerfen, dass sie sich bisher nicht öffentlich für Bißmann eingesetzt hat, die letztlich nur auf ihrem Recht bestanden hat. Hier wäre Solidarität gefragt gewesen – durchaus eine feministische Tugend.

Umgekehrt ist es aber auch nicht feministisch, Stern deshalb auf die ewige Verdammtinnenliste zu setzen, wie dies gerade auf Social Media passiert. Was sie für die Rechte von Alleinerzieherinnen getan hat, ist allemal wichtiger als ihr patscherter Versuch, einen hässlichen parteipolitischen Schachzug zu beschönigen.

Übrigens: Als die Mandatarinnen den Plenarsaal verließen, um eine Geste gegen Peter Pilz' Comeback zu setzen, blieben die Männer aller Parteien sitzen. Das sagt tatsächlich auch etwas über das feministische Bewusstsein im österreichischen Nationalrat aus. (Petra Stuiber, 12.6.2018)