Wien – Abdul K. sagt Sätze, die man oft hört, wenn es um Gewalt in der Beziehung geht. "Es tut mir leid, ich habe die Beherrschung verloren. Mir ist die Hand ausgerutscht." Der 38-Jährige scheint ein gröberes Problem mit seiner Impulskontrolle zu haben. Denn vor Richterin Julia Matiasch muss sich der Unbescholtene wegen zweier Vorfälle verantworten, die für seine Partnerin und deren Sohn im Spital endeten.

K. bekennt sich teilweise schuldig. In der Nacht des 9. Juni 2017 seien die nach islamischem Recht angetraute Gattin und ihr elfjähriger Sohn aus früherer Beziehung spät heimgekommen. "Ich habe mehrmals versucht, meine Frau telefonisch zu erreichen. Als ich fragte, wo sie gewesen sei, sagte sie, das gehe mich nichts an", behauptet der Angeklagte.

"Ich hatte den Eindruck, sie wollten mich bewusst provozieren." – "Wie denn?", fragt Matiasch. "Sie hat zu ihrem Sohn gesagt: 'Dein Körper riecht nach deinem (leiblichen, Anm.) Vater.' Ich habe gefragt, warum sie das sagt. Sie hat wieder geantwortet, dass mich das nichts angeht. Da habe ich die Beherrschung verloren und ihr eine Ohrfeige gegeben."

Polizei fotografierte Angriffsspuren

Dass er die Frau auch gewürgt, in den Bauch geschlagen und ihren Sohn verletzt hat, bestreitet K. aber. "Und wie erklären Sie sich dann die Verletzungen?", zeigt Matiasch ihm Fotos, die die Polizei aufgenommen hat. Die Rötungen am Hals und Bauch der Frau kann sich der Angeklagte nicht erklären. Nur für die Verletzung des Kindes hat er eine Theorie: "Meine Frau ist ein guter Mensch, aber sie schlägt ihr Kind", stellt er in den Raum.

Der zweite Vorfall ereignete sich am 9. Oktober. "Ihr Sohn hatte Geburtstag. Eigentlich war alles sehr gut, es war eine nette Feier mit Gästen." Gegen 22 Uhr sei es dennoch zu einem Streit gekommen. "Sie hat wörtlich gesagt: 'Ich werde in den Mund deines Vaters pinkeln!'", echauffiert sich der Angeklagte. "Leider habe ich wieder die Beherrschung verloren und ihr eine Ohrfeige gegeben." Deren Folge: ein Riss des Trommelfells.

Vor dem Auftritt der 32-Jährigen erlebt die Richterin eine Überraschung. Die Privatbeteiligtenvertreterin hat die Einvernahme in Abwesenheit des Angeklagten beantragt. K. sagt aber, dass Frau M. seit drei Wochen wieder mit ihm zusammenwohne. "Wie es bei uns üblich ist, haben Verwandte uns überredet, es wieder zu versuchen", verrät der gebürtige Afghane.

Angeklagter verbot Frau, die Wohnung zu verlassen

Zeugin M. tritt auf und bittet erneut, ohne ihn aussagen zu können. "Weil es mir unangenehm ist", begründet sie, was Matiasch nicht reicht. Inhaltlich bleibt Frau M. bei der Geschichte, die sie schon der Polizei erzählt hat. Im Juni sei sie mit ihrem Sohn bei der Cousine des Angeklagten gewesen, da sie den Wohnungsschlüssel vergessen hatte und K. nicht erreichte. "Er hat mir verboten, alleine auszugehen", sagt sie, daher sei es zum Streit gekommen.

Ihr Sohn habe noch wegen des Vatertags um Geld für Parfums für leiblichen Vater und Opa gebeten. "Ich habe gesagt, der Opa braucht keinen Duft. Da ist Abdul hereingekommen, hat gesagt: 'Aha, wessen Duft hat dir denn gefallen?', und mir eine Ohrfeige gegeben. Dann hat er mich gewürgt, mir in den Bauch geboxt und meinen Sohn umgeschmissen, als er dazwischengehen wollte." Es folgt eine weitere Überraschung für die Richterin: Die Zeugin sagt, sie habe deshalb damals ihr Ungeborenes im vierten Monat verloren. Schläge gegen ihr Kind dementiert sie.

Mehrere Bedingungen für Neustart

Matiasch interessiert, wie das Paar wieder zusammengefunden hat. "Bei uns werden Trennungen nicht so gerne gesehen. Seine Verwandten haben sich für ihn entschuldigt, wir haben auch vereinbart, dass er mich nicht mehr schlägt, ich kein Kopftuch mehr tragen muss und wir standesamtlich heiraten", hört sie.

Verteidiger Wolfgang Haas schlägt einen außergerichtlichen Tatausgleich vor, Matiasch vertagt aber, um den Sohn zu hören. (Michael Möseneder, 12.6.2018)