Ob nun Säbel schwingende Osmanen vor das St.-Georgs-Kolleg in Istanbul ziehen – oder Messebesucher vor dem Stephansdom molestieren? Wie schon häufiger in der Vergangenheit schwadroniert der türkische Staatspräsident über einen neuen Kreuzzug, nachdem die Regierung Kurz und Strache die Schließung von Moscheen und die Ausweisung türkischer Imame aus Österreich bekanntgab. Aber man sollte Tayyip Erdogan durchaus ernst nehmen.

Morgens schnell einmal schnittig etwas ins Mikrofon zu blasen, wie es Kanzler und Vizekanzler taten, und dann auch noch zu einem so sensiblen Thema wie dem Umgang mit dem Islam, ist in unserer Welt der Verkürzung und Verflachung eine durchaus gefährliche Angelegenheit. Denn was bleibt übrig vom Verstoß gegen das Islamgesetz, den die Regierung konstatiert? "Die Christen sperren unsere Moscheen zu", lesen und hören Muslime in der Türkei, in Europa, in Indonesien. Es ist eine Kampfansage, nicht ausreichend erklärt für die muslimische Welt, obendrein noch unempfindsam platziert kurz vor dem Ende der Fastenzeit.

Erdogan, der sich als Verteidiger der islamischen Welt sieht – ein beträchtlicher Teil jener Welt, der nicht nach der Rückkehr der Osmanen hungert, tut es nicht -, macht auf seine Weise auf die Gefährlichkeit der österreichischen Moscheeentscheidung aufmerksam. Überspitzt und populistisch, auf Wählerstimmen bedacht – aber im Kern zu Recht.

Zur Ausweisung von Imamen aus Österreich haben türkische Regierungspolitiker dagegen bisher nicht viel gesagt. Das ist bemerkenswert. Denn diese Entscheidung betrifft direkt das staatliche türkische Religionsamt Diyanet. Anders als die Kellermoscheen des Arabischen Kulturvereins, die nun geschlossen werden. Das Diyanet in Ankara bildet Imame aus, schickt sie ins Ausland und entlohnt sie. Die Diyanet-Imame sind das Sprachrohr der konservativ-sunnitischen Regierung, die seit 16 Jahren in der Türkei an der Macht ist. Das Islamgesetz in Österreich will ebendies unterbinden. Für Erdogan ist das eine Einschränkung seiner Macht.

Im eigenen Land kann die Regierung Kurz Erdogans AKP einbremsen, hier sitzt sie am längeren Hebel. Gegen die stärker werdende Stimmung gegen Christen in der Türkei und anderswo kann sie nichts tun. Möglicherweise interessiert es sie auch nicht. Ihre Wähler sind ja in Österreich. (Markus Bernath, 10.6.2018)