Peter Pilz hatte jedes Recht, darauf zu bestehen, dass ihm sein Klub Platz für eine Rückkehr ins Parlament macht. Die Liste trägt seinen Namen, und der Großteil der Wähler hat ihm die Stimme gegeben – und nicht Martha Bißmann, Maria Stern oder Alfred Noll.

Am hässlichen Spektakel, das die jüngste Parlamentsfraktion wegen dieser Frage zuletzt gegeben hat, war nicht nur die Persönlichkeit gewisser Beteiligter schuld, sondern auch ein grundlegender Missstand im Parlamentarismus. Wähler stimmen für Parteien und Listen, nicht für Kandidaten, aber nach dem Einzug in den Nationalrat gilt angeblich das freie Mandat. Das ist eine politische Lebenslüge, denn schließlich haben Abgeordnete kein persönliches Mandat erhalten. In der Praxis regiert zwar der Klubzwang, den es offiziell gar nicht geben dürfte, aber wer die Fraktion verlässt, durch die er erst ins Parlament eingezogen ist, kann als wilder Abgeordneter Stimme und Gehalt behalten – und sich anderen Parteien andienen.

Dieses unehrliche System fördert nur die Politikverdrossenheit. Und mit dem Niedergang traditioneller Parteien wird es immer öfter passieren, dass bei neuen Listen der Konflikt zwischen formalen Rechten und politischer Realität ausbricht – wie schon im BZÖ und im Team Stronach.

Daher besteht hier dringender Reformbedarf. Das System der Vorzugsstimmen hat die demokratische Legitimität der einzelnen Mandatare nicht gestärkt. Für ein echtes freies Mandat braucht es die Direktwahl der Abgeordneten, auch wenn dann die Sitzverteilung nicht mehr dem Stimmverhältnis entspricht. Hält man am Verhältniswahlrecht fest, sollte die Fiktion des freien Mandats aufgegeben werden. Wer dank einer Liste ins Parlament einzieht, müsste an deren Entscheidungen gebunden sein, so wie es sich die Wähler ohnehin erwarten. Und Konflikte wie bei der Liste Pilz könnten dann viel eher vermieden werden. (Eric Frey, 8.6.2018)