Warum ist der Klimawandel politisch umstritten? Weil es vordergründig um das Klima geht: Der Streit resultiert aus den unterschiedlichen, mehr oder weniger konkreten Wünschen und Forderungen, die in einem Atemzug mit "Klimawandel" genannt werden: Artenschutz, Emissionshandel, Fleischverzicht, Geburtenkontrolle, indigene Selbstbestimmung, Sozialismus, Kohleausstieg, Ressourcensteuer, staatliche Subventionen, Systemwandel, Umverteilung.

Zu diesen Forderungen gibt es mehr als eine Meinung. Ob grundlegender Systemwandel oder Reform, wie etwa in Steuer-, Finanz- und Handelspolitik – ethische, politische und ideologische Überzeugungen trennen uns spätestens in ihrer Umsetzung. Der Glaube, der Klimawandel könne Menschen über diese Trennlinien hinweg zusammenführen, weil es einen wissenschaftlichen Konsens gibt, ist leider eine Fehleinschätzung.

Der Klimafetisch

Der Konsens zu den Ursachen des Klimawandels dient vielmehr der Objektivierung und Legitimierung konträrer Lösungsvorschläge. Alle möchten die Wissenschaft als Autorität auf ihrer Seite wissen.

Diese Objektivierung hat im Zwei-Grad-Ziel der Vereinten Nationen den Charakter eines Fetisch angenommen – ähnlich dem Bruttoinlandsprodukt. Wir huldigen dem Ziel als wäre es nicht vom Menschen erdacht. Wir verteidigen es mit der Rhetorik des Populismus ("Klimakatastrophe") und verkennen, dass die Reduktion eines unbeschreiblich komplexen Systems auf eine Zahl im Jahr 2100 (!) des Populismus Krönung ist. Die Wissenschaft möchte die Verantwortung für diese Zahl bei der Politik wissen und umgekehrt.

Foto: AP/Mark Schiefelbein

Die Scheinlösung

Die Krux mit diesem Klimaziel ist nicht nur, dass mit seinem Erreichen kaum ein gesellschaftliches Problem gelöst wäre – als würde bei globalen 1,9 Grad Friede und bei 2,7 Grad Krieg herrschen. Diese zynische Interpretation folgt jener Logik, die im Jahr 2007 zur Verleihung des Friedensnobelpreises an den Weltklimarat und Al Gore führte.

Problematisch wird es, wenn zwei Grad gänzlich außer Reichweite geraten und man politisch dennoch am Ziel festhält. Die technische Lösung, die "im Notfall" – wer bestimmt ihn? – aus der Schublade geholt wird, würde selbst zum politischen Problem werden: dem großflächigen Geoengingeering, allen voran der Bestäubung von Stratosphäre und Ozeanen. Es brächte Konflikte in die Welt, wo es sie bislang nicht gibt.

Dies ist die Nebenwirkung der Fixierung auf eine steigende CO2-Konzentration als Surrogat für globale Durchschnittstemperatur: Sie reduziert die unzähligen moralischen, politischen und ökonomischen Probleme – alles, was mit "Klimawandel" gefordert wird – auf eine Zahl, die tatsächlich einer technischen Lösung zugeführt werden könnte. Messungen mögen zwei Grad ergeben, doch haben wir noch kein einziges Problem gelöst.

Nachhaltigkeitsziele

Vielmehr gilt es, Lösungen für jene Aufgaben zu finden, die wir als "Klimawandel" diskutieren: Demokratie, Energie, Ernährung, Konsum, Umverteilung, Umweltschutz, Völkerrechte …  Auch diese Themen behandeln die Vereinten Nationen – als Sustainable Development Goals (SDGs) für das Jahr 2030. Dass "Klima" in diesem Katalog an Zielen nur eines unter vielen ist, kann als Anerkennung von Komplexität und Absage an den Klimapopulismus verstanden werden. Fragen wir also nicht, was wir für das Klima machen können, sondern was der Klimawandel für uns machen kann. Dann könnten wir auch bei 2,7 Grad in einer friedlichen Welt leben. (Mathis Hampel, 11.6.2018)

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