Sigrid Maurer sollte Vorbild für andere Frauen (oder auch Männer) in ähnlichen Situationen sein, sich Beleidigungen, Herabwürdigungen und Belästigungen nicht gefallen zu lassen.

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Sigi Maurer bekam Post von einem kranken Arschloch. Sorry, das sagt man nicht. Ist vielleicht auch klagbar. Die ehemalige Grünen-Abgeordnete bekam Post von einem chauvinistischen, vulgären Mann, der keinerlei Respekt vor Frauen hat, psychopathische Züge zeigt, wahrscheinlich gerne Pornos schaut und seinen Sexualtrieb offenbar nicht im Griff hat. Er schrieb: "Hallo, Du bist heute bei mir beim Geschäft vorbeigegangen und hast auf meinen Schwanz geguckt, als wolltest du ihn essen." In dieser Tonalität geht es weiter, nicht alles soll und muss hier wiederholt werden, vielleicht noch ein kleiner Auszug, der auf den Charakter des Absenders schließen lässt. "Dein fetter Arsch turnt mich ab, aber da du prominent bist, ficke ich dich gerne in deinen fetten Arsch, damit dir einer abgeht, du kleine dreckige Bitch!!!"

Maurer hatte diese Nachricht, die ihr über Facebook übermittelt wurde, auf Facebook und Twitter öffentlich gemacht. Und wird jetzt von jenem Mann, den sie als den mutmaßlichen Absender geoutet hat, wegen übler Nachrede geklagt. Der Mann, der Wirt eines Craft-Beer-Lokals in Wien, sagt, er wisse nicht, wer sich da an seinem Computer zu schaffen gemacht habe. Er sei das jedenfalls nicht gewesen.

Der Mann hat gute Chancen, mit seiner Klage erfolgreich zu sein. Der Anwalt des Gastronomen argumentiert, Maurer habe seine Persönlichkeitsrechte in eklatanter Weise verletzt, indem sie die Botschaft öffentlich gemacht und den Mann angeprangert habe.

Was hätte Maurer machen sollen?

Sich das gefallen lassen, sich kränken und still die Schmach erdulden? Sie hat sich dafür entschieden, sich zu wehren, diesen Angriff auf ihre Person, auf ihre Integrität, auf ihre Intimität, auf ihre emotionale Unversehrtheit öffentlich zu machen und mit anderen zu teilen.

Juristisches Neuland

Rechtlich hat sie wenige Möglichkeiten. Für den Tatbestand der Beleidigung fehlte die Öffentlichkeit, da dies eine "persönliche" Nachricht war. Der Tatbestand einer sexuellen Belästigung ist laut Gesetzestext offenbar ebenfalls nicht erfüllt. Und eine Klage wegen gefährlicher Drohung, die man allenfalls noch argumentieren könnte, wäre aussichtslos gewesen. Das zeigt die Erfahrung aus ähnlichen, noch drastischeren Fällen.

Dass ausgerechnet Maurer geklagt wird und das Risiko einer Verurteilung trägt, erscheint absurd. Der Prozess ist aber juristisches Neuland und könnte auch zu einer Klärung beitragen: Ist es tatsächlich so, dass die Beweislastumkehr gilt und Maurer dem Wirt nachweisen muss, dass er der Autor und Absender der Nachricht mit seiner Kennung ist? Oder muss doch der Wirt nachweisen, dass nicht er der Verbaltäter ist, sondern dass es glaubhaft ist, dass sich Mitarbeiter oder Gäste an seinem Computer zu schaffen gemacht haben? Und könnte er dafür verantwortlich gemacht werden?

Egal wie der Prozess ausgeht, Maurer ist die, die angegriffen wurde – und sich gewehrt hat. Sie sollte Vorbild für andere Frauen (oder auch Männer) in ähnlichen Situationen sein, sich Beleidigungen, Herabwürdigungen und Belästigungen nicht gefallen zu lassen. Und sie sollten sich dabei der Solidarität der Gesellschaft sicher sein können – was derzeit kaum der Fall ist.

Das mit dem kranken Arschloch zu Beginn war ich übrigens nicht. Da muss sich jemand an meinen Computer gesetzt haben. Ich hatte nur keine Zeit mehr, das auszubessern, Lust auch nicht. (Michael Völker, 7.6.2018)