Zürich – Täglich werden im Knochenmark mehrere Milliarden Blutzellen gebildet. Für die ständige Zufuhr sorgen dabei Blutstammzellen, die sich in speziellen Nischen im Knochenmark befinden. Sie können sich selbst vermehren und zu roten und weißen Blutkörperchen ausreifen, die aus dem Knochenmark ins Blut gelangen.

Bereits seit mehreren Jahren versuchen Wissenschafter, natürliches Knochenmark im Labor nachzubauen, um die Mechanismen der Blutbildung besser zu verstehen und neue Therapien zu entwickeln, etwa zur Behandlung von Leukämie.

Doch das hat sich bisher als äußerst schwierig erweisen, da die Blutstammzellen in herkömmlichen In-vitro-Modellen ihre Eigenschaften verlieren, sich zu vermehren und in verschiedenen Arten von Blutzellen zu differenzieren.

Künstliches Knochenmark

Wissenschafter um Ivan Martin von der Universität Basel haben nun gemeinsam mit Kollegen vom Universitätsspital Basel und der ETH Zürich eine neuartige künstliche Knochenmarknische angefertigt, in der sich die Stamm- und Vorläuferzellen über mehrere Tage vermehren konnten. Die Forscher entwickelten ein künstliches Gewebe, das manche der komplexen biologischen Eigenschaften der natürlichen Knochenmarknischen nachahmt.

Dafür kombinierten sie menschliche mesenchymale Stromazellen mit einem knochenähnlichen, porösen dreidimensionalen Gerüst aus Keramik in einem sogenannten Perfusions-Bioreaktor, in dem sich biologische und synthetische Materialien verbinden lassen.

So entstand laut ihrer Studie im Fachjournal "PNAS" eine Struktur, die von einer extrazellulären Matrix überzogen ist, in die sich Zellen einfügen können. In diesem Aspekt ist das künstliche Gewebe den natürlichen Knochenmarknischen molekular sehr ähnlich. In dieser Umgebung gelang es, die Funktionsfähigkeit von hämatopoetischen Stamm- und Vorläuferzellen weitgehend zu erhalten.

Massgeschneiderte Knochenmarknischen

Das neue Verfahren eignet sich auch dafür, maßgeschneiderte Knochenmarknischen herzustellen, die spezifische molekulare Eigenschaften aufweisen und bei denen sich einzelne Proteine einfügen oder entfernen lassen. Das eröffnet vielfältige Perspektiven: Für die Erforschung von Faktoren, welche die Blutbildung beim Menschen beeinflussen, bis hin zum Screening von Medikamenten mit dem Ziel, die Reaktion einzelner Patienten auf eine bestimmte Behandlung vorherzusagen.

"Mit Knochen- und Knochenmarkzellen von Patienten könnten wir Bluterkrankungen wie zum Beispiel Leukämien in vitro modellieren. Und zwar in einem Umfeld, das ausschließlich aus menschlichen Zellen besteht und das idealerweise personalisierte, individuelle Gegebenheiten einbezieht", erläutern Martin und Timm Schroeder. (red, 5.6.2018)