US-Botschafter Richard Grenell bei seinem Ehrenempfang in Deutschland Anfang Mai.

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Berlin/Wien – Bisher sahen sich US-Botschafter in befreundeten Staaten zur Neutralität gegenüber der Politik ihres Gastlandes verpflichtet. Doch das sieht Richard Grenell, seit 8. Mai 2018 US-Botschafter in Deutschland, anders. Er hat am Sonntagabend der weit rechts stehenden Internetplattform Breitbart ein Interview gegeben, in dem er ankündigt, sich künftig in die Politik von EU-Staaten einmischen zu wollen.

Sein Ziel sieht er dabei in der "Ermächtigung konservativer Parteien". Vorbild: Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), den Grenell als "Rockstar" bezeichnet. Grenell will für Kurz bei dessen geplantem Besuch in Berlin in der kommenden Woche sogar ein Mittagessen ausrichten. Einen entsprechenden Bericht des "Spiegel" bestätigte man am Abend auch in Wien dem STANDARD. Man betont aber, dass das Abendessen in ein ganzes Programm in Berlin eingebettet sei, es gebe auch viele andere Termine.

Kontakt mit Trump-Vertrauten

Dass ein solcher Besuch eine Regierungschefs bei einem Botschafter im Ausland ungewöhnlich sei und auch als Affront gegenüber Merkel verstanden werden könnte, will man nicht gelten lassen. Auch Israels Premier Benjamin Netanjahu habe am Montag während seines Berlin-Besuches Grenell getroffen.

"Es gilt insbesondere in Zeiten wie diesen mit den engsten Vertrauten des US-Präsidenten Kontakt zu halten, vor allem zu Fragen wie der Handelspolitik und der transatlantischen Beziehungen", teilte Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal mit.

So nicht bestätigen will man die Meldung des "Spiegel", wonach Kurz' Besuch bei Grenell auf österreichische Initiative zurückgeht. Es habe sich um "eine beidseitige Initiative" gehandelt, heißt es.

In seinem Interview hatte der Botschafter vor allem die Wichtigkeit von Steuersenkungen und vom Abbau der Bürokratie betont, die er sich von konservativen Politikern in Europa erwarte. Außerdem lobte Grenell die Rolle Kurz' in der Migrationspolitik. Breitbart stellt dabei vor allen einen Zusammenhang zur Schließung der Westbalkanroute her und betont, dass Kurz bei dieser Gelegenheit Deutschlands Kanzlerin Merkel widersprochen hatte.

Keine Freude in Washington

In Berlin stieß das Interview nicht auf Begeisterung. Das Außenamt teilte mit, man habe Washington um Aufklärung gebeten. SPD-Vizechef Thorsten Schäfer-Gümbel meinte, Europäer würden sich "von Trump-Vasallen nicht sagen lassen, wen sie wählen sollen". Der frühere SPD-Chef Martin Schulz sagte der dpa gar, Grenell benehme sich "wie ein rechtsradikaler Kolonialoffizier". Auch in Washington gab es Kritik. Der demokratische Senator Chris Murphy nannte das Interview auf Twitter "entsetzlich", weil sich Grenell damit in die Innenpolitik anderer Staaten einmische. (mesc, 4.6.2018)