1. Endlich Enquete!

Die Medienenquete der Bundesregierung ist da, und das hat neben zwei Tagen Diskurs und Debatte über österreichische und europäische Medien und ihre Zukunft noch einen Vorteil: Wenn die Enquete Freitagabend vorbei ist, können Medienminister Gernot Blümel (ÖVP) und FPÖ-Mediensprecher Hans-Jörg Jenewein nicht mehr in die Gefahr kommen, der Enquete durch konkretere Aussagen über ihre Pläne für den ORF und andere Medienhäuser, für Google, Youtube und Facebook vorzugreifen.

Dann freilich soll es nach Blümels Worten in einem der Hintergrundgespräche vor der Enquete erst einmal in Arbeitsgruppen weitergehen. Deren Arbeit könnte man natürlich auch wieder vorgreifen. Jedenfalls bis die Gesetzesentwürfe vorliegen – Ende des Jahres soll es laut Blümel soweit sein.

2. Der Patron der Medienfinanzierung, die Stimmen des ORF

Ohne weiteres Hintergrundgespräch veröffentlichte das Kanzleramt nun ein paar Tage vor der Enquete das komplette Programm der vorverlegten Österreichischen Medientage mit allen Diskussionsteilnehmerinnen und -teilnehmern (PDF-Link). Speakern, wie man so sagt.

Den ORF, als größtes und öffentlich-rechtliches Medienunternehmen des Landes wohl besonderes betroffen von den Regierungsplänen, vertreten gleich drei Menschen auf den Podien, und ich bin unschlüssig, wie ich die Besetzung interpretieren könnte: ORF-General Alexander Wrabetz (Panel: "Public Value und das Selbstverständnis des ORF"), ORF-Onlinechef Thomas Prantner ("Neue Allianzen, leichter gesagt als getan?", etwa mit Niki Fellner, "Oe24.at", Eva Dichand, "Heute", und dem Chef der Wettbewerbsbehörde, Theodor Thanner) sowie ORF-Programmdirektorin Kathrin Zechner ("Kultur- und Identitätsträger im internationalen Wettbewerb" – moderiert übrigens von Robert* Kratky, Ö3, noch einer vom ORF). Dafür ohne ORF-Vertreter: "Finanzierung und Förderung – Effektive und effiziente Medienförderung für Public Value".

Interessant auch die "Patronanzen" der drei Schwerpunkt-Sessions: News"-Chefredakteurin Esther Mitterstieler sitzt jener über Digitalisierung vor. ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz der über Public Value. Und ProSiebenSat1Puls4-Chef Markus Breitenecker der Session über Medienfinanzierung. Was der sich so in Sachen Medienfinanzierung vorstellt, bringt er gerade mit ProSiebenSat1Puls4-Infochefin Corinna Milborn als Buch heraus ("Change the Game", Verlag Brandstätter), im STANDARD-Interview erklärten Sie ihre Vorstellungen. Kurzzusammenfassung: GIS-Gebühren (oder im Gespräch auch Budgetmittel) für alle Sender, die Public Value produzieren.

3. Eigene Kanäle? "Das ist vorbei"

Eine Diskrepanz fiel mir natürlich wieder erst ein, als das Interview gerade erschienen war: In "Change the Game" erklären Breitenecker und Milborn ihr Modell unter anderem so: "Man kann Nachrichten oder einen Film jederzeit, egal von welchem Anbieter, ansehen. Die klaren Silos und linearen TV-Kanäle sind in Auflösung begriffen und werden in den nächsten fünf bis zehn Jahren immer weiter an Bedeutung verlieren. Die Inhalte, die uns als Medienkonsumenten zur Verfügung stehen, werden entbündelt – zeitlich und nach Kanälen."

Das ist vorbei, sagt Milborn über lineare TV-Kanäle im Interview etwa sehr bestimmt: "Man muss sich von der Idee der 1950er- oder 1970er-Jahre lösen, dass man den eigenen schrumpfenden Kanal und dessen Marktanteile mit allen Mitteln verteidigt. Das ist vorbei. Nicht heute, aber bald."

Wenn lineare TV-Kanäle (und ihre Marktanteile) so vorbei sind, warum wollte ProSiebenSat1Puls4 dann erst 2017 so unbedingt ATV und ATV 2 übernehmen? Zahlt man – grob geschätzte – 20 Millionen oder auch ein bisschen weniger für etwas, das praktisch am Ende ist? Oder gilt das nur für lineare öffentlich-rechtliche Kanäle – und wie wäre das zu erklären? Vielleicht erläutern Breitenecker und Milborn das ja noch bei der Präsentation am Montagabend um 18 Uhr in der Thalia-Filiale Mariahilferstraße 99 oder bei der Schwerpunkt-Session zur Medienfinanzierung bei der Medienenquete.

"Die linearen TV-Kanäle sind in Auflösung begriffen": Corinna Milborn und Markus Breitenecker nach der Übernahme von ATV und ATV 2. Den Satz freilich veröffentlichten sie erst im Jahr nach dem Senderkauf.
Foto: APA/Robert Jäger

4. Chefredakteurshürden

A propos Medienfinanzierung: Kaum hatte die Etat-Wochenschau die Ausschreibung des "Wiener Zeitung" vermisst, war sie auch schon da – ziemlich genau ein Monat vor Ablauf des Vertrages von Wolfgang Riedler, mit einem Monat Bewerbungsfrist und dem Anforderungsprofil der Restrukturierungserfahrung. Die republikseigene Zeitung soll ja laut Regierungsprogramm (gleich an drei Stellen) künftig ohne Pflichtinserate von Unternehmen auskommen – die den größten Teil ihrer Einnahmen ausmachen.

Gleich nach derselben Etat-Wochenschau wurde ich aber auch erinnert: Es ist gar nicht so einfach, Chefredakteur der "Wiener Zeitung" zu werden. Der Eigentümer (die Republik Österreich, in Gestalt eines Beamten des Kanzleramts), ernennt laut Statut einen Chefredakteur. Die angestellten Redakteurinnen und Redakteure können ihn oder sie mit Zweidrittelmehrheit ablehnen. Anlass der Erinnerung an das Statut: Ich schrieb von Martina Salomon, derzeit Vizechefredakteurin des "Kurier", als mögliche Chefredakteurskandidatin. Salomon moderiert bei der Medienenquete das Public-Value-Panel.

5. Wladimir Putins kleine Gemeinsamkeit mit Alexander Wrabetz

Und was hat Russlands Präsident Wladimir Putin mit ORF-General Alexander Wrabetz gemein? Beide neigen zu eher situationselastischer Termintreue. Zum Beispiel beim Interview mit Armin Wolf, das Montag um 20.15 in ORF 2 läuft – Putin, nicht Wrabetz, zum Österreich-Besuch, nicht zur Medienenquete der Regierung.

Um 18 Uhr sollte das Interview am vorigen Freitagabend beginnen, schildert der "ZiB 2"-Anchor sein "Rendezvous mit Wladimir Putin" in seinem Blog. Die Kameraleute waren schon unterwegs in den Kreml zum Aufbau, da wird der Termin auf 20 Uhr verschoben. Putin kommt schließlich um 21.45. So lange muss man üblicherweise nicht auf Alexander Wrabetz warten.

Na wer schaut da jetzt böser? Wladimir Putin, im Kreml befragt von Armin Wolf – Montagabend um 20.15 in ORF 2.
Foto: ORF/Daniel Hack

Aber sind wir nicht alle ein bisschen Putin? Ich zum Beispiel bin vielleicht manchmal auch ein bisschen spöttisch. Und ich spreche wie der russische Präsident fließend Deutsch. Auch wenn man das meinen Texten nicht immer gleich anmerkt.

Kommen Sie gut in diese Woche. Und zumindest so gut in die nächste. (Harald Fidler, 4..6.2018)