Bild nicht mehr verfügbar.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) beim Kabinettstreffen in Mauerbach diese Woche.

Foto: REUTERS/Lisi Niesner

Eigentlich hat Österreichs Regierung allen Grund zur Freude – und die beste Grundlage, um zu arbeiten. Es geht ihr derzeit hervorragend. Umfragen bescheinigen ihr eine stabile Mehrheit, die Opposition ist entweder nicht vorhanden (Grüne), löst sich selbst auf (Liste Pilz) oder ist schwer mit sich selbst beschäftigt (SPÖ, Neos). Die Regierung könnte also in aller Ruhe das Wahlversprechen von Sebastian Kurz, "Zeit für Neues", umsetzen.

Der Bedarf wäre vorhanden, Themen gibt es viele. Zum Beispiel Bildung: Nicht zuletzt im STANDARD können türkise und blaue Minister nachlesen, wo Österreichs Lehrerinnen und Lehrer der Schuh drückt – zu wenig Platz, zu wenig Personal, zu viele Kinder mit sehr unterschiedlichen Bedürfnissen ... Die Probleme sind bekannt. Das führt zum nächsten Punkt: viel mehr Mittel für Integration, vor allem für Deutschkurse, für Jung und Alt. Allein eine Konzentration auf diesen Bereich könnte dem Land einen Reformschub versetzen und der Regierung vor Beginn der EU-Ratspräsidentschaft einen europäischen Achtungserfolg bringen.

Stattdessen beschränkt sie sich darauf, mit den Flügeln zu schlagen und latent EU-feindliche Aktionen zu setzen. Dazu zählen etwa die Kürzung der Familienbeihilfe für Kinder von EU-Ausländern oder die Idee von Vizekanzler Heinz-Christian Strache, die Personenfreizügigkeit zu beschneiden. Nicht zu vergessen: Message-Control und populistische Selbstinszenierung bei Nebenthemen. Bei der Mindestsicherung, die nur 0,86 Prozent des Sozialbudgets ausmacht, tut man so, als hänge von ihrer Reform Wohl und Wehe des Landes ab. Auch das Flüchtlingsthema, das im Moment eigentlich keines ist, wird unnötigerweise, in Zwischenwahlkampfmanier hochgekocht.

Das bisher Gezeigte wirkt altbekannt

Von der Regierungsklausur in Mauerbach etwa kam vor allem die eindringliche Warnung, dass sich Flüchtlinge auf dem Balkan sammelten, um über eine neue "Albanien-Route" Österreich anzusteuern. Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) kündigte an, er werde deshalb im Fall der Fälle "die Grenzen dichtmachen".

Allerdings "sammeln" sich derzeit keine Flüchtlinge, zumindest nicht auf dem Balkan. Serbien zum Beispiel registriert derzeit viel weniger Flüchtlinge als noch vor wenigen Monaten. Zudem ist die "Route" über Albanien und Montenegro den Behörden seit Monaten bekannt – aber offenbar sind dort momentan nur sehr wenige Migranten unterwegs. Die slowenischen Behörden zählten heuer erst neun illegale Migranten an der Grenze zu Österreich.

Bei der Reform der Sozialversicherung hat die Regierung alle Vorteile auf ihrer Seite. Die überwiegende Mehrheit der Österreicher ist dafür, die Bürokratie dort zu verschlanken. Von heute auf morgen ist das nur leider schwer machbar, weil die Leistungen der verschiedenen Kassen sehr unterschiedlich sind. Der (relativ neue) Präsident des Hauptverbands arbeitete an einer Angleichung der Systeme. Es wäre sinnvoll gewesen, hätte ihn die Regierung dabei unterstützt, dies mit Hochdruck voranzutreiben. Stattdessen hat sie die Kassenfunktionäre als Privilegienritter hingestellt und sich damit den Vorwurf eingehandelt, sie wolle die Kassen bloß politisch "umfärben". Den Reformstau im Land kann man so nicht auflösen.

Die Regierung vergibt gerade die Chance zu zeigen, ob sie wirklich neue Ideen für das Land hat. Das bisher Gezeigte wirkt jedenfalls altbekannt. (Petra Stuiber, 3.6.2018)