Das serbisch-russische humanitäre Zentrum in Niš.

Foto: Wölfl

Das noch unfertige Parkhaus samt Kletterwand ...

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... und das Lager des Zentrums.

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Zuerst erfasst der gelbe Strahl auf der animierten Landkarte Serbien, bis es sich rot einfärbt, er reicht hinüber bis ins rote Russland, dann werden die Schweiz, die Niederlande, die Krim, dann jedes einzelne Balkanland, ja sogar die mitteleuropäischen Staaten Slowenien, Ungarn und Kroatien durch die Strahlen gefärbt. Das Werbevideo für das serbisch-russische humanitäre Zentrum (RSHC) im serbischen Niš gibt die geopolitischen Ambitionen der Organisation preis.

Das RSHC wurde 2012 in der südserbischen Stadt aufgebaut. Auch wenn der Besucher hier nichts aufregendes sehen kann, es ranken sich alle möglichen Mythen darum. Direktor Viktor Guljevič, der in dem Konferenzsaal Rede und Antwort steht, macht sich ein wenig über westliche Journalisten lustig, die hier ein Spionagezentrum vermuten.

Rettungsboote und Liegebetten

Das RSHC liegt in der Nähe des Flughafens in der südserbischen Stadt, es gibt eine Kletterwand, eine Autogarage und ein Lager für Katastrophenschutzeinsätze. An den Wänden hängen Bilder von serbischen Politikern, die das Zentrum besuchten und natürlich von Wladimir Wladimirowitsch Putin. Guljevič zeigt das Lager mit den Rettungsbooten, den Liegebetten, den Wärmedecken, den Notaggregaten und allem anderen, dass man bei Überschwemmungen oder Waldbränden brauchen kann.

Im RSHC werden Einsätze koordiniert und Ausrüstung zur Verfügung gestellt. Guljevič gibt an, dass russische Fachkräfte erstmals im Jahr 2008 nach Niš kamen, um den Flughafen zu entminen, weil sich dort noch Minen der Nato aus dem Kosovo-Krieg befunden hätten. Tatsächlich ist es schwer vorstellbar, dass die Nato aus der Luft den Flughafen in Niš verminte, sehr wohl aber hat die Nato Streubomben verwendet. Der Grund warum sich Russland nach der Entminung entschlossen hätte, das Zentrum in Niš aufzubauen, basiere darauf, dass "nach dem Zusammenbruch von Jugoslawien, auch das zivile Verteidigungs- und Rettungssystem zusammengebrochen" sei, so Guljevič. Man wolle quasi nur helfen.

Wiederaufbau von Katastrophenschutz

"Der Wiederaufbau dieses System ist sehr langsam. Es ist notwendig, die Leute zu trainieren und Fahrzeuge und Maschinen zur Verfügung zu stellen", sagt er. Über das Zentrum werden auch zahlreiche serbische Rettungskräfte und Feuerwehrleute in Russland ausgebildet. Selbst für serbische Kinder gibt es Camps mit "Sicherheits- und Rettungsschulungen" in Russland. Das Zentrum unterstütze Serbien auch bei einem neuen Sicherheitsgesetz. Bisher habe Moskau 40 Millionen Dollar für das Zentrum ausgegeben,f ür Gerätschaften und für Training. Laut Guljevič sollen ähnliche Zentren in Armeine, in Kuba, in in Tunesien und in Saudi Arabien aufgebaut werden – immer geht es um Katastrophenschutz. Das Zentrum in Niš ist quasi das Vorbild.

Hinter dem RSHC steckt eine Organisation, in der sich im Kalten Krieg viele kommunistisch geprägte Staaten im Bereich Katastrophenschutz zusammenfanden: Die Internationale Organisation für Zivilschutz (ICDO) mit Sitz in der Schweiz. Westliche Staaten sind in der ICDO kaum zu finden, dafür einige afrikanische und natürlich Russland und China.

Weitere Balkanstaaten sollen kooperieren

Laut den Angaben auf der Webpage werden zur Zeit Entminungsprojekte im Libanon, in Nicaragua, in Sri Land und eben in Serbien durchgeführt. Humanitäre Hilfe werde in Afghanistan, Kirgistan, Tadschikistan, Nordkorea, Libyen und Tuvalu geleistet. Das Geld für das Humanitäre Zentrum in Niš kommt vom Finanzministerium aus Russland, wird aber über die ICDO überwiesen. Seit man ein anerkanntes internationales Ausbildungszentrum der ICDO sei, könne man auch internationale Zertifikate ausstellen, erklärt Guljevič.

Eigentlich ist geplant, dass neben Serbien weitere Balkanstaaten – wie etwa Montenegro oder Bosnien-Herzegowina – eine Vereinbarung mit Russland abschließen, um im Zivil- und Katastrophenschutz zusammenzuarbeiten und Teil des Zentrums zu werden. "Dann würden wir hier ein internationales Zentrum werden", erklärt Guljevič. Doch bislang gibt es eben nur einen Vertrag zwischen Serbien und Russland. Die serbische Regierung finanziert das Gebäude in Niš.

EU will Kooperation mit Russland nicht

Fragt man den Direktor, ob andere Staaten überhaupt beitreten wollen würden, so antwortet er kryptisch: "Andere Regionen sind schon und die Bürger sind interessiert, aber die Balkan-Staaten wollen Teil der EU werden und die EU will nicht, dass sie einen Vertrag mit uns abschliessen." Deshalb gäbe es auch die Propaganda, die gegen das Zentrum gerichtet sei. "Die Balkanstaaten haben zwischen den Zeilen die Botschaft erhalten, dass sie das nicht tun sollten". Guljevič erzählt, dass die montenegrinische Regierung etwa ein Hilfs-Löschangebot des Zentrums bei den Bränden im Vorjahr nicht angenommen habe.

Tatsächlich war das RSHC in den vergangenen Jahren immer wieder in den Medien. Einerseits deshalb, weil Russland wollte, dass die Angestellten einen diplomatischen Status in Serbien erhalten sollten und zweitens, weil insbesondere Vertreter der USA daran Kritik übten. Die USA hatten sogar die Sorge, dass das Zentrum künftig als russische Militärbasis dienen könne, was vom RSHC natürlich zurückgewiesen wird.

Kein diplomatischer Status

Serbien hat den russischen Katastrophenhelfern aber keinen diplomatischen Status gewährt, was Guljevič unfair findet. "Die, die Serbien bombardiert haben, bekommen das, aber die Russen nicht", sagt er. Das RSHC wolle den diplomatischen Status ohnehin nur deshalb, um weniger Zölle und Steuern zu zahlen und in der Folge mehr Roboter, Maschinen und Hilfsmittel ins Zentrum bringen zu können. Aus der Politik wolle man sich raushalten. Nur helfen halt. (Adelheid Wölfl aus Niš, 3.6.2018)