Mevlüt Çavuşoğlu vereinbarte im Jänner mit Außenministerin Karin Kneissl zwei Jahre erheblicher politischer Spannungen zurückzulassen.

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Er konnte seinen Satz gar nicht erst beenden, doch der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu hat in einem sehr hart geführten Interview der Deutschen Welle seinen Willen bekräftigt, an der Entspannung mit Österreich festzuhalten. "Ich habe die türkisch- österreichischen Beziehungen normalisiert", sagte Çavuşoğlu und nannte als Grund die Ernennung einer seinerzeit neuen Außenministerin – Karin Kneissl.

Çavuşoğlu und Kneissl hatten sich Ende Jänner, einen Monat nach der Angelobung der Rechtsregierung in Wien, in Istanbul getroffen. Beide Minister vereinbarten damals, zwei Jahre erheblicher politischer Spannungen hinter sich zu lassen. Seither haben neuerliche Äußerungen von Kanzler Sebastian Kurz über ein wünschenswertes Ende der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei die bilateralen Beziehungen belastet. Auch die angelaufene Aberkennung von Doppelstaatsbürgerschaften türkischer Wähler in Österreich kam hinzu.

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Beziehungen normalisieren

Çavuşoğlu scheint dennoch gewillt, ähnlich wie mit Deutschland die politischen Beziehungen zu Österreich zu normalisieren. Ob der 50-jährige Politiker der regierenden konservativ-islamischen AKP nach den Wahlen in der Türkei am 24. Juni Minister bleibt, ist ungewiss. Çavuşoğlu ist wie der Schwiegersohn von Staatschef Tayyip Erdogan, Energieminister Berat Albayrak, und Regierungschef Binali Yildirim als Kandidat für das Parlament aufgestellt worden. Gemäß der neuen Präsidialverfassung können Abgeordnete keine Ministerämter übernehmen. Die Regierung bestimmt und führt der Präsident künftig allein. Çavuşoğlu könnte allerdings nach der Wahl sein Mandat wieder aufgeben.

Das Interview mit dem türkischen Außenminister, das diese Woche in Düsseldorf aufgezeichnet worden war, verlief von Beginn an aggressiv. Çavuşoğlu, der ohnehin als schwieriger, leicht aufbrausender Gesprächspartner gilt, war an Tim Sebastian geraten, den Moderator der Interviewsendung "Conflict Zone" des öffentlichen deutschen Auslandssenders Deutsche Welle. Çavuşoğlu hatte an einer Gedenkveranstaltung zum Brandanschlag auf ein Wohnhaus türkischer Familien in Solingen nahe Düsseldorf vor 25 Jahren teilgenommen.

Heftiger Schlagabtausch

Sebastian unterbrach unentwegt den türkischen Minister, der ihm sprachlich unterlegen war. Besonders heftig wurde der Schlagabtausch, als es um den Prozess gegen den in der Türkei inhaftierten US-amerikanischen Pastor Andrew Brunson ging und um Çavuşoğlus Behauptung, die Staaten im Westen hätten den Putsch in der Türkei 2016 unterstützt; der Minister nannte trotz mehrfacher Nachfragen kein Land im Westen.

"Ihr denkt, ihr seid der Boss, die Erste-Klasse-Nation, die Türkei ist zweite Klasse, die Türken sind zweite Klasse", sagte Çavuşoğlu an einer Stelle und versuchte damit, seine beleidigenden Äußerungen im vergangenen Jahr vor allem gegen die niederländische und die deutsche Regierung zu rechtfertigen. Wien hatte Çavuşoğlu damals das "Zentrum des Rassismus" in Europa genannt.

Aggressiv geführte, verhörähnliche Interviews nach dem Vorbild von Hard Talk in der BBC sind im deutschsprachigen Raum immer noch unüblich. Die Deutsche Welle orientiert sich seit längerem bereits auf ein englischsprachiges Publikum. (Markus Bernath, 02.06.2018)