Im Tennis-Internet geht es mitunter wild zu.

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Werner Bercher, Sprecher des Vorstandes von Interwetten: "Unsere Mitarbeiter brauchen eine dicke Haut".

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Im Pressezentrum von Roland Garros erzählt man sich viele Geschichten. Eine davon betrifft eine junge Tennisspielerin. Sie soll kürzlich bei einem WTA-Turnier in Rabat in der ersten Runde verloren haben. Das klingt nicht weiter ungewöhnlich. Anschließend sei die Frau allerdings massiv bedroht worden, und zwar von erzürnten Zockern, die um ihre Wetteinsätze umfielen.

An die Öffentlichkeit ist diese Episode nicht gedrungen, glaubhaft ist sie allemal. Der österreichische Doppelprofi Oliver Marach, Sieger der Australian Open und Nummer zwei der Weltrangliste, berichtete zuletzt in der Kleinen Zeitung über Morddrohungen nach einer Finalniederlage in Monte Carlo. "Solche Sachen kommen immer, wenn ich einen Satz verliere. Das ist in der Tennisszene fast schon Alltag. Traurig, aber so ist das eben", sagt Marach in Paris zum STANDARD.

Weniger soziale Netzwerke

Die verbalen Angriffe tragen sich zumeist in sozialen Netzwerken zu. Als die Niederländerin Richèl Hogenkamp 2017 in 's-Hertogenbosch ein knappes Match verlor, wünschte ihr ein Nutzer via Instagram liebe Grüße und zwei Kugeln in den Kopf. Er hätte ihretwegen 1500 Dollar verloren. Die meisten Aktiven können von ähnlichen Erfahrungen berichten, haben aber gelernt, die Beschimpfungen und Drohungen zu ignorieren.

Marach hat die sich wiederholenden Vorfälle der Association of Tennis Professionals (ATP) gemeldet. Bei der ATP wiederum hält man sich ob der Thematik bedeckt, Anfragen in dieser Causa würde nur die Tennis Integrity Unit (TIU) beantworten. Die TIU ist für die Untersuchung von Korruption und Manipulation verantwortlich. Sie kann Geldbußen und Sanktionen verhängen und hat die Möglichkeit, Spielern, Schiedsrichtern und Offiziellen die Teilnahme an Turnieren zu untersagen. Die Organisation wurde nach Vorwürfen der Manipulation im Jahr 2008 eingerichtet.

Melden und blockieren

Aber was rät die TIU Spielern, die sich massiven Beleidigungen ausgesetzt sehen? "Wir ermutigen alle Betroffenen, Vorfälle zu melden", erfährt der STANDARD. Die TIU betreibt einen vertraulichen 24-Stunden-Service, sieben Tage die Woche. Alle Aussagen werden in Kooperation mit dem Spieler protokolliert. Oft sei es damit getan, lästige Nutzer zu blockieren. Mitunter werde bei Social-Media-Unternehmen aber auch die Entfernung von Accounts beantragt. Dies, so der Sprecher des TIU, "wurde bereits bei mehreren Gelegenheiten erreicht".

Sollte der Missbrauch eine gewisse Grenze überschreiten, zum Beispiel bei der Androhung von Gewalt, rät die TIU, "den Vorfall an die lokalen Strafverfolgungsbehörden weiterzuleiten". Über die genaue Frequenz der Vorfälle will man keine Auskunft geben, die TIU bestätigt aber, "dass es sich um eine steigende Zahl handelt". Frauen und Männer seien betroffen, die Berichte von Spielerinnen allerdings in der Überzahl.

Sportart Nummer zwei

Das Geschäft mit Tenniswetten floriert. "55 Prozent der Wetten entfallen auf Fußball, 25 Prozent auf den Tennissport", sagt Werner Becher, Sprecher des Vorstandes des Anbieters Interwetten, zum STANDARD. Tennis sei auf dem deutschsprachigen Markt eindeutig die Sportart Nummer zwei. Mit ungehaltenen Kunden hat man in der Branche Erfahrung. "Eine Wette geht nun mal nicht immer so aus, wie man es erwartet", sagt Becher. Da kommt es schon vor, dass jemand Geld verliert und anschließend via Telefon oder Internet seinen Unmut auslässt. "Unsere Mitarbeiter brauchen eine dicke Haut, wir mussten auch schon die Polizei einschalten."

Zudem sei das Potenzial für Manipulation, so Becher, gerade im Tennissport besonders hoch. "Pro Quartal haben wir sportübergreifend rund 50 Verdachtsmomente, die Hälfte entfällt auf Tennis." Die Erklärung dafür ist logisch. "Ein Spieler reicht, um ein Ergebnis zu manipulieren, das ist im Fußball komplizierter. Hinzu kommt, dass unterhalb der ATP-Turniere die Preisgelder so gering sind, dass sich eine Manipulation auszahlt."

Man muss nicht einmal ein ganzes Spiel verlieren, es reicht schon ein Satz, ein Game oder ein Punkt. Wettabschlüsse während der Spiele bieten Zockern über das Internet unzählige Möglichkeiten. Ist dem Betrug damit Tür und Tor geöffnet? "Nein", sagt Becher, "einmal kommt man damit vielleicht durch. Aber es wird von Mal zu Mal schwieriger. Die Alarmsysteme sind ausgeklügelt."

Topspieler sind der Manipulation weitgehend unverdächtig. Sie verdienen auf der Tour genug, um im Normalfall nicht in Versuchung zu geraten. Vor rabiaten Wettern sind sie aber nicht gefeit. Heather Watson, britische Nummer zwei, brachte es einst in Wimbledon auf den Punkt: "Ich bin nach Niederlagen so sauer, dass ich mich am liebsten selber bestrafe. Also sehe ich mir die Nachrichten im Internet an. Dort werde ich bedient." Geändert hat sich nichts. "Heather Watson is a shithouse of a tennis player ain't she", konnte Watson nach ihrem Out in Paris auf Twitter über sich lesen. (Philip Bauer, 2.6.2018)