US-Firmen warnen vor einer Eskalation des Handelsstreits mit China.

Foto: APA/AFP

Washington/Peking – Der erst kürzlich abgewendete Handelskrieg zwischen den USA und China droht wiederaufzuflammen. Chinesische Medien kritisierten am Mittwoch scharf die Drohung der USA, sich weiterhin die Verhängung von Importzöllen im Umfang von 50 Milliarden Dollar vorzubehalten, sollte die Volksrepublik sich nicht mit dem Diebstahl geistigen Eigentums auseinandersetzen.

In einem Kommentar der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua hieß es, China sei bereit, seine Interessen zu verteidigen. "Chinas Haltung lautet wie stets: Wie wollen nicht kämpfen, aber wir haben auch keine Angst zu kämpfen."

In einem Beitrag in der auflagestarken "Global Times" hieß es, die USA litten unter einer Wahnvorstellung. Sollten sie sich nicht an eine kürzlich erzielte Vereinbarung zur Entschärfung des Handelsstreits halten, könnten die USA am Ende allein dastehen. Die chinesische Regierung sei bereit, notwendige Gegenmaßnahmen zu ergreifen. "Wenn die USA Spielchen spielen wollen, dann ist China mehr als willens mitzuspielen – und das bis ganz zum Schluss", heißt es in dem Blatt, das unter der Schirmherrschaft des Organs der Kommunistischen Partei erscheint. Allerdings spiegelt es nicht zwingend die Regierungspolitik wider.

Eigene Interessen vertreten

Das chinesische Handelsministerium erklärte: "Was auch immer die Vereinigten Staaten unternehmen, China hat die Fähigkeit und die Erfahrung, die Interessen der Chinesen und die Kerninteressen des Landes zu verteidigen." Die Ankündigung der USA widerspreche der Vereinbarung, die beide Seiten zuvor in Washington erreicht hätten. Die Chinesen sprachen von einer "taktische Erklärung" des Weißen Hauses.

In China tätige US-Firmen warnten unterdessen vor den Folgen einer Eskalation des Handelsstreits. Es bestünden ernsthafte Bedenken, "dass die Spannungen zu einem Handelskrieg mit Vergeltungsmaßnahmen von beiden Seiten eskalieren werden", heißt es in einem am Mittwoch veröffentlichten Weißbuch der amerikanischen Handelskammer in Peking. Ein anhaltender Streit würde "möglicherweise zu einer weiteren Verschlechterung der bilateralen Beziehungen einschließlich der Handelsbeziehungen führen".

Zölle in der Höhe von 25 Milliarden Dollar

Die USA hatten am Dienstag erklärt, am 15. Juni werde eine Liste chinesischer Produkte veröffentlicht, die mit Zöllen im Gegenwert von insgesamt 50 Milliarden US-Dollar belegt werden sollten. "Kurz danach" sollten zusätzlich Zölle in Höhe von 25 Milliarden verhängt werden. Die Zölle waren ursprünglich im März bekanntgegeben worden.

Das von Trump nun unterzeichnete Memorandum kommt jedoch nur gut eine Woche nach der Ankündigung von US-Finanzminister Steven Mnuchin, im Handelsstreit während der Verhandlungen mit China seien Strafzölle auf Stahl und Aluminium vom Tisch. Nach Verhandlungen hatten die USA und China ihre Übereinkunft erklärt, dass China künftig erheblich mehr amerikanische Güter und Dienstleistungen erwerben wolle.

Das Memorandum Trumps richtet sich vor allem auf den Schutz geistigen Eigentums und auf Technologietransfer. Die USA wollen diesen Transfer ebenso beschränken wie bestimmte Investitionen. Eine entsprechende Liste solle am 30. Juni vorlegt und "bald darauf" umgesetzt werden.

Dass die Vereinigten Staaten bereit seien, Spannungen im Handel zu riskieren, zeige, als wie problematisch Chinas "Cyber-Diebstahl sowie seine forcierten Technologietransfers und seine diskriminierende Industriepolitik" in Washington gesehen würden, heißt es im Bericht der Pekinger US-Handelskammer.

Auf Pekings Hilfe angewiesen

Am kommenden Wochenende wird eine US-Delegation unter Führung von Handelsminister Wilbur Ross in Peking erwartet, um die Verhandlungen im Handelsstreit der beiden größten Volkswirtschaften fortzusetzen. Dieser Streit ist für die USA auch deswegen heikel, weil Washington im Atomstreit mit Nordkorea auf die Hilfe Pekings angewiesen ist.

Im Zollstreit mit den USA suchen Deutschland und die Europäische Union kurz vor Ablauf der amerikanischen Frist weiter nach einer Verständigung. Am Rande eines OECD-Treffens will EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström am Mittwoch in Paris mit US-Handelsminister Wilbur Ross zusammentreffen.

Auch der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier strebt "intensive Gespräche" mit dem Amerikaner an, Ziel sei ein "Deal" im beiderseitigen Interesse.

EU-Unternehmen bis Freitag ausgenommen

Die USA haben EU-Unternehmen bis zu diesem Freitag von den im März eingeführten Sonderzöllen auf Stahl und Aluminium ausgenommen. Die Europäer fordern vom amerikanischen Präsidenten Donald Trump eine dauerhafte Ausnahme und drohen andernfalls mit Vergeltungszölle etwa auf US-Produkte wie Whiskey, Motorräder oder Jeans.

EU-Kommissarin Malmström zeigte sich am Dienstag im EU-Parlament jedoch pessimistisch: "Hoffentlich wird es eine positive Zusammenarbeit sein, die wir sehen, ohne Strafzölle oder Einfuhrquoten, aber realistischerweise denke ich, dass wir darauf nicht hoffen können", sagte sie. "Selbst wenn die USA entscheiden sollten, auf Zölle zu verzichten, erwarte ich nichtsdestotrotz, dass sie irgendeine Art von Obergrenzen für EU-Exporte verhängen werden."

Dennoch versucht sie, die drohenden US-Zölle mit Gesprächen in letzter Minute noch abzuwenden. Sie sei auf dem Weg nach Paris und werde dort mit US-Handelsminister Wilbur Ross und dem US-Handelsbeauftragten Robert Lighthizer zusammentreffen, erklärte Malmström am Mittwoch. Ziel der EU sei eine komplette Ausnahme von den Schutzzöllen.

Altmaier hatte am Montag mit Blick auf die Gespräche in Paris von einer "entscheidenden Woche" gesprochen. Aus deutscher Sicht müsse ein Handelskonflikt vermieden werden, weil darunter sowohl die Bürger in Europa, als auch die in den USA leiden würden. "Es geht auch um sehr viele Arbeitsplätze."

IWF ruft China und USA zur Beilegung auf

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat die USA und China dazu aufgerufen, ihren Handelsstreit beizulegen. "Wir denken, dass es für beide Seiten wichtig ist, zusammenzuarbeiten und zu deeskalieren, um jegliche Art von Spannungen zu vermeiden", sagte Alfred Schipke, China-Repräsentant des IWF am Mittwoch vor Journalisten in Peking.

Die angedrohten Zölle seien nicht einmal die schlimmsten Belastungen für die Volkswirtschaften. Gravierender seien die Auswirkungen der Unsicherheit, die bei Konsumenten, Investoren und auf den Finanzmärkten durch den Konflikt ausgelöst werde. "Handelsspannungen sind für niemanden von Vorteil", sagte Schipke.

Der IWF legte am Mittwoch die Ergebnisse seiner jährlichen Prüfung Chinas vor, in der er Fortschritte bei Reformen lobte, aber erneut vor rasant steigenden Schulden warnte. "Das Kreditwachstum hat sich verlangsamt, bleibt aber zu schnell", so der IWF. Chinas Wachstum wird sich laut IWF-Prognose heuer von zuletzt 6,9 Prozent auf 6,6 Prozent verlangsamen. (APA, Reuters, 30.5.2018)