Pro: Sehr vernünftig

Von Michael Simoner

Wenn Vernunft und Emotion gegeneinander antreten, haben sachliche Argumente meistens das Nachsehen. Der Begriff Citymaut ist gewissermaßen der Startschuss für so ein ungleiches Rennen, und Maria Vassilakou von den Wiener Grünen hat es ausgelöst. Die Vizebürgermeisterin spricht sich – nicht zum ersten Mal – dafür aus, dass Autofahrer zahlen sollen, wenn sie in die Stadt hineinfahren wollen. Ob das nur Fahrzeuge betreffen soll, deren Kennzeichen kein W vorne haben, oder auch Wiener, die etwa in bestimmte Zonen wollen, ist noch gar nicht ausdiskutiert. Aber in vielen Gehirnen verabreden sich die Neurotransmitter bereits zur Blockade.

Natürlich muss eine Citymaut mit einem bundesländerübergreifenden Ausbau von Öffis einhergehen. Doch anstatt sich darüber den Kopf zu zerbrechen, drückt Verkehrsminister Norbert Hofer den Emotionsknopf und droht Wien allen Ernstes damit, den Geldhahn bei der Mitfinanzierung des U-Bahn-Baus abzudrehen.

Dabei würde es sich lohnen, die Ausgangslage zu überprüfen und vorliegende Erfahrungen zu vergleichen. Was wir alle nicht wollen, sind umweltgiftige Blechschlangen, die durch die Stadt schleichen. London hat sich vor 15 Jahren getraut, im Herzen der Stadt die Citymaut einzuführen. Bilanz: ein Drittel weniger Staus, ein Fünftel weniger CO2-Emissionen. Noch bessere Ergebnisse brachte die Citymaut in Mailand und Stockholm. Sehr vernünftig. (Michael Simoner, 29.5.2018)

Kontra: Härte für den Mittelstand

Von Guido Gluschitsch

Sollte das Ziel eine Verringerung des Verkehrs in Wien sein, so gibt es dazu weit bessere Wege als die Citymaut. Diese nämlich ist unfair, vor allem, wenn man die Maut auf die Einfahrtszeit zwischen sechs und zehn Uhr legt.

Damit würde die Maut nur in den seltensten Fällen Wohlgeborene treffen, die mit dem Bentley aus ihrer im Wienerwald gelegenen Luxusvilla in die Innenstadt kutschieren, um sich an den schönen neuen Zahlen in der Bilanz zu erfreuen. Sondern sie würde dem Mittelstand das Geld aus der Tasche ziehen, jenen 200.000 bis 300.000 Menschen, die Tag für Tag zum Arbeiten in die Stadt fahren müssen. Die dort zu einer fixen Zeit in der Firma zu erscheinen haben, um das Geld zu verdienen, das sie mit der anderen Hand wieder für die Kinderbetreuung ausgeben.

Glaubt wirklich jemand, dass es auch nur einer einzigen Person Freude bereitet, in der Früh nach Wien hineinzustauen, um dort dann eh keinen Parkplatz zu bekommen? Mit der Citymaut müssten sich alle diese Menschen am Stadtrand zusätzlich auf langwierige Parkplatzsuche machen, denn Park-&-ride-Anlagen sind bekanntlich rar. Eine Alternative dazu wäre natürlich das Pendeln mit gescheiten Öffis. Um die Fahrpläne von Bus und Bahn zu verbessern, braucht es jedoch Innovationen und einen Weitblick, der weit über den Grätzltellerrand hinausgeht. (Guido Gluschitsch, 29.5.2018)