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Komplizierte Formeln und verwirrende Angaben rufen Kritiker auf den Plan: Schüler, Eltern und Lehrer fordern in mehreren Punkten eine Neugestaltung der zentralen Reifeprüfung.

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Es beginnt zuckersüß. Man stelle sich vor: "In einer Packung befinden sich 50 Gummibären. Von diesen sind 20 rot, 16 weiß und 14 grün. Ein Kind entnimmt mit einem Griff drei Gummibären, ohne dabei auf die Farbe zu achten."

Mathematik ist heuer bei der Zentralmatura das Problemfach. Eine Hochrechnung des Ministeriums ergab, dass jeder fünfte ein Nichtgenügend hingelegt hat – mehr als doppelt soviele wie im Vorjahr.
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Der zweite Teil von Aufgabe 21 ist für viele Österreicher dann wohl schon eher bitter: "Geben Sie unter der Voraussetzung, dass jeder Gummibär mit der gleichen Wahrscheinlichkeit entnommen wird, die Wahrscheinlichkeit an, dass mindestens einer der drei entnommenen Gummibären rot ist!" Könnten Sie das lösen?

Schüler haben Ergebnisse

Diese Rechenübung ist eine der 24 Aufgaben der diesjährigen Zentralmatura in Mathematik. In einem anderen Beispiel geht es um eine Gruppe, die Geld spendet, und um die Frage, wie groß nun der Beitrag der Frau Müller war. Die Aufgabe elf dreht sich um Zellen, die sich im Rahmen eines biologischen Experiments exponentiell vermehren. Montag und Dienstag erfahren die Maturanten die Ergebnisse ihrer schriftlichen Prüfungen. Auch, ob sie zur mündlichen Kompensationsprüfung antreten müssen, um eine negative Note auszubessern. Ein erster Zwischenstand ist zumindest im Bereich Mathematik bereits bekannt: Die Matura fällt deutlich schlechter aus als im Vorjahr.

Ende der Vorwoche waren zwar erst 15 Prozent der Arbeiten korrigiert, Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) zog trotzdem die Notbremse und kündigte eine Evaluierung an. Laut offiziellem Zwischenbericht sind in Mathematik rund 18 Prozent der angetretenen Schüler an den AHS und an den Berufsbildenden höheren Schulen (BHS) durchgefallen. Die gesammelten Resultate will das Bildungsministerium erst Ende Juni präsentieren. Schüler, Lehrer und Eltern schlagen aber schon jetzt Alarm: Die schlechten Ergebnisse seien nicht einem schwachen Jahrgang geschuldet, vielmehr gebe es zahlreiche strukturelle Probleme.

Komplizierte Textbeispiele "Die Mathematura darf keine zweite Deutschklausur sein", sagt Bundesschulsprecher Harald Zierfuß im STANDARD- Gespräch. Die Rechenwege mussten aus komplexen Texten abgeleitet werden, das habe bei vielen Schülern, die ohnehin schon sehr nervös gewesen seien, die Unsicherheit verstärkt. Diese Aufgabenstellung setzt mathematisches Grundverständnis voraus, für gute Mathematiker, wie Zierfuß selbst, keine Hürde. Für durchschnittlich begabte Schüler sei das aber eine Herausforderung, vor allem weil es für diese Rechensorte kaum Übungsbeispiele gegeben habe.

Ähnlich sieht das der oberste Elternvertreter Gernot Schreyer. "Es ist falsch, Mathematik zu verwenden, um Deutschkompetenzen abzufragen", sagte er dem STANDARD. Wenn aus einem komplizierten Text erst die Aufgabe abgeleitet werden müsse, gehe das zulasten der Arbeitszeit für die eigentlichen Berechnungen. Es sei sinnvoll, Rechnungen herzuleiten, dafür müsse aber der Text verständlich sein. Dieses Aufgabenformat sei nicht fair, und Maturanten, die Deutsch nicht als Muttersprache haben, werden benachteiligt.

Schlechte Vorbereitung "Den Schülern stehen zu wenig Übungsmaterialien zur Verfügung", sagt auch Herbert Weiß, Vorsitzender der AHS-Lehrergewerkschaft, im Gespräch mit dem STANDARD. Darüber hinaus würden für die Vorbereitung auf die Kompensationsprüfungen Ressourcen fehlen: "Es sind keine entsprechenden Kurse vorgesehen, die Schüler sind auf sich allein gestellt." Somit würde auch die von Faßmann angekündigte Sofortmaßnahme, dass mehr Übungsbeispiele angeboten werden sollen, wenig helfen: Es mangelt an Lehrern zum Pauken.

Bundeselternsprecher Schreyer findet außerdem, dass die unterschiedlichen Schulschwerpunkte – wie etwa neusprachlich, naturwissenschaftlich oder humanistisch – auch bei der Matura berücksichtigt werden müssten. "Die Schulvielfalt wird durch die Zentralmatura torpediert." Schulsprecher Zierfuß sieht noch ein anderes Manko: Wenn die Aufgabenstellung zentral erfolgt, soll auch die Beurteilung den eigenen Lehrern entzogen werden. Er fordert eine zentrale Korrekturstelle – für objektive Notenvergabe.

Fremdsprachen Ungleiche Voraussetzungen kritisiert Schreyer auch bei den Reifeprüfungen für Fremdsprachen. Bei Tonbeispielen wie der "Listening Comprehension" verfügen Schulen über unterschiedliche technische Ausstattung. Zudem soll bei der Englischmatura der Sprecher der Tonaufgabe einen Sprachfehler mit neuseeländischem Einschlag gehabt haben. Auch Störgeräusch seien auf dem Band zu hören gewesen. (Marie-Theres Egyed, Katharina Mittelstaedt, 28.5.2018)