Wenn dem niederländischen Politiker und Rechtspopulisten Geert Wilders auch zuzustimmen ist, dass es alarmierend ist, dass Meinungsfreiheit zunehmend unter Druck gerät, ist ihm doch darin zu widersprechen, dass Provokationen, die zu einer zunehmenden Polarisierung beitragen, ein auch nur irgendwie geeignetes Mittel sind, um sich für die Wahrung von Freiheitsrechten einzusetzen.

Denn Wilders' Karikaturenwettbewerb – den er mit Karikaturen über den islamischen Propheten Mohammed im niederländischen Parlament bestreiten will – ist, entgegen seinen Äußerungen, kein produktiver Beitrag zur Bewahrung der Meinungsfreiheit. Dies ist, mit Blick auf Wilders' bisherige politische Aktivitäten und Äußerungen, zwar nicht überraschend, ein reines Ignorieren seines Vorschlags – wie von mancher Seite empfohlen – erscheint hier jedoch dennoch nicht als probates Mittel.

Denn so wünschenswert es auch wäre, dass alle Menschen so tolerant, offen und vor allem in ihrem Glauben gefestigt und sicher sind, dass sie ihren Glauben karikierende Darstellungen aushalten können, so macht es doch einen entscheidenden Unterschied, in welchem Rahmen derartige Karikaturen entstehen.

Die Grenzen der Freiheit

In liberalen Demokratien steht außer Frage, dass Kritik möglich ist, dass auch Weltanschauungen und Religionen und vor allem bestimmte Entwicklungen in diesen kritisiert, ja bis zu einem gewissen Grad auch lächerlich gemacht werden können. Aber wie für alle Freiheitsrechte, so wertvoll sie auch sind, so gilt auch für die Kunstfreiheit, dass sie nicht grenzenlos ist.

Es muss – und dies letztlich im Einzelfall – darüber diskutiert werden, wie weit sie gehen kann, wie viel (auch religiöse) Menschen aushalten können müssen, ob Kunst auf religiöse Verbote – wie etwa im Islam das Bilderverbot – Rücksicht nehmen sollte und, wenn ja, in welcher Form. Aufgabe des liberalen säkularen Staates ist es hierbei, jenen Raum zu schaffen, in dem diese Diskussionen geführt werden können.

Das Parlament hingegen als jenen Ort zu nutzen, in dem Menschen wissentlich vor den Kopf gestoßen und die Gesellschaft spaltende Tendenzen verstärkt werden, ist verantwortungslos. Dass Wilders aber genau diese Intention verfolgt und nicht etwa die Stärkung der Meinungsfreiheit, zeigt sich auch darin deutlich, dass er nicht die Frage aufwirft, wie mit dem umgegangen werden kann, was anderen heilig ist, und wie viel an blasphemischen Äußerungen auszuhalten ist, sondern Kunst politisch für seine Zwecke missbraucht.

Die zum Teil gewalttätigen Reaktionen auf die Mohammed-Karikaturen in der dänischen Zeitung Jyllands-Posten 2005 sind zu verurteilen. Die friedlichen Proteste, die, obwohl sie die Mehrheit waren, in den Medien kaum erwähnt wurden, mag man verstehen oder nicht, ignorieren sollte man sie jedoch auf keinen Fall.

Auch weil sie Zeichen dafür sind, dass wir in einer Gesellschaft leben, deren Grenzen neu auszuverhandeln sind. Wenn das friedliche Zusammenleben unser Ziel ist, sollten wir dies nicht den Radikalen und Provokateuren – welcher politischen und/oder religiösen Richtung auch immer – überlassen. (Irene Klissenbauer, 28.5.2018)