Kickte in der Sowjetunion und später bei der Austria und sieht den russischen Fußball kritisch: Evgenij Milevskij.

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Ein großes Stadion für die Provinz in Samara.

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Ein großes Stadion für die Provinz in Saransk.

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Wien – Evgenij Milevskij ist fest davon überzeugt, dass "es eine tolle Fußball-WM wird". Halt nur nicht für den Gastgeber. "Der russische Fußball steckt in einer Systemkrise. Für Russland könnte es peinlich werden."

Milevskij galt in der Sowjetunion als Wunderkind, kickte vor Glasnost als Kapitän und Held für den lettischen Renommierverein Daugava Riga und für Spartak Moskau, 1991 holte er mit der Austria den 19. Meistertitel für Violett. Weitere Stationen des Linksaußen in Österreich waren VSE St. Pölten und FAC.

Heute arbeitet der 56-jährige gebürtige Lette als Delegierter für die Uefa und kennt den russischen Fußball wie seine Westentasche. "Alle Vereine in der russischen Premjer-Liga werden von staatsnahen Betrieben gesponsert. Es gibt viele teure, aber durchschnittliche Legionäre, auch russische Spieler verdienen viel Geld. Sie werden dadurch genügsam und wagen nicht den Sprung ins Ausland wie wir damals", sagt Milevskij zum STANDARD.

Nationalstolz

Hatte Russland noch 2008 einen Ausnahmestürmer wie Andrej Arschawin, der wichtige Partien wie das EM-Viertelfinale gegen Holland (3:1) im Alleingang entschied und später zu Arsenal wechselte, gibt es nun keine Fußballer seiner Klasse mehr. In Russlands WM-Kader stehen nur drei Legionäre.

Der russische Fußballverband (RFS) setzt auf das Volk, das sich hinter der Sbornaja versammeln soll. Beim Cup-Finale in Wolgograd Anfang Mai gab es für die Zuschauer freien Eintritt. Ein Versuch, die Liga durchgehend mit Pay-TV zu vermarkten, scheiterte, "außerhalb von Moskau und St. Petersburg sind die Menschen es nicht gewohnt, für Fußball im Fernsehen zu zahlen". Dafür sind bereits 90 Prozent aller WM-Tickets verkauft, auch weil Russen stark verbilligte Tickets um 15 bis 20 Euro erhalten. "Der Nationalstolz ist groß. Eine gute Idee, die von der Fifa bewilligt wurde."

Provinzstadien

In der Kritik steht die teuerste Fußball-WM aller Zeiten für ihre Stadien. Quer über das ganze Land wurden neue Arenen aus dem Boden gestampft. "Ein Wahnsinn", sagt Milevskij. "Lokomotive Moskau oder Krasnodar haben schöne Stadien. Die sind aber fertig und kommen deshalb für die WM nicht infrage. Ohne Bauaufträge kann ja in Russland niemand etwas verdienen. Jetzt gibt es WM-Stadien mit 40.000 Plätzen in Provinzen, die nicht einmal einen Bundesligisten haben. Samara, Saransk oder Kaliningrad sind abschreckende Beispiele." Ob in diesen Stadien nach der WM weiter der Ball rollt, darf bezweifelt werden. Auf Kostenexplosionen folgten Korruptionsvorwürfe und Verhaftungen. Der russische Milliardär Sijawudin Magomedow sitzt in U-Haft, er soll in der Ostsee-Exklave Kaliningrad 752 Millionen Rubel veruntreut haben, berichtete die Zeitung "Kommersant".

Hat sich in der Bevölkerung eine Gleichgültigkeit gegenüber Korruption entwickelt? "Die Menschen sehen die Investitionen bei der WM positiv. Besser´, das Geld fließt in Sportinfrastruktur, Straßen und Flughäfen, als es verschwindet gänzlich in dunklen Kanälen."

(K)ein Boykott

Dass die WM Werbung für Wladimir Putins autoritäres Russland macht, steht für Milevskij außer Zweifel. "Die WM wird gut organisiert sein." Der englische Außenminister Boris Johnson vergleicht das Turnier mit den Olympischen Spielen 1936 in Berlin, Großbritannien schickt keine politischen Vertreter zur WM. Milevskij: "Vor der WM machen sich manche europäischen Politiker wichtig, wollen Putin boykottieren. Wenn ihre Mannschaft im Turnier weit kommt, werden auch sie sich im Stadion feiern lassen." (Florian Vetter, 6.6.2018)