Donald Trump reitet wieder. Seit seinem Amtsantritt treibt er die Staatengemeinschaft vor sich her. "Befreundeten" Mächten wie Europa und Japan tritt der Trampler in Washington manchmal auf die Zehen, gelegentlich setzt es eine ordentliche Ohrfeige. Auch wenn sich die Partner regelmäßig echauffieren: Echte Gegenwehr sieht anders aus. Die Strategie des US-Präsidenten geht daher immer öfter auf. Dabei ist diese recht leicht durchschaubar. Erst fährt Trump scharfe Geschütze auf, um dann große Landgewinne ganz ohne ihren Einsatz zu erzielen.

Beispiel Nato: Erst bezeichnete er das Bündnis als obsolet und brachte es damit an den Rand der Bedeutungslosigkeit – die Alliierten reagierten schockiert und hofften auf Mäßigung des US-Staatschefs. Dann willigte ein Partner nach dem anderen ein, die Verteidigungsausgaben zu erhöhen. Auch wenn die tatsächliche Erfüllung der Vorgabe, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Militär auszugeben, abzuwarten bleibt: Quergelegt hat sich niemand gegen die Forderungen aus dem Weißen Haus.

Beispiel Handelspolitik: Erst waren es Strafzölle auf Aluminium- und Stahlimporte, jetzt stehen auch noch Sanktionen auf Autoeinfuhren zur Debatte. Trump nimmt damit eine Schlüsselindustrie Europas ins Visier und brüskiert die mit den USA in einer Freihandelszone verbundenen Nachbarn Kanada und Mexiko, die die größten Pkw-Exporteure in die Vereinigten Staaten sind. Die Taktik ist offensichtlich: Je dicker die von Trump geschwungene Keule ist, desto dünnhäutiger werden die Handelspartner. Selbst das ebenso starke wie selbstbewusste China war ziemlich baff, als die USA das Riesenreich mit Sanktionen bedrohten. Bis zu 150 Milliarden Dollar schwer könnten die Maßnahmen gegen Peking sein.

Der Frontalangriff machte China gefügig. Es verspricht, mehr US-Waren einzukaufen, Zölle zu senken und Patentschutz zu gewährleisten. Alles vernünftige Maßnahmen, doch die Art ihres Zustandekommens verblüfft: Sie wurden erst möglich, nachdem die USA die Muskeln gezeigt hatten. Trump spielt mit der Vernunft seiner Wirtschaftspartner. Er weiß, dass die Staatengemeinschaft nicht am internationalen Handelsgerüst rütteln will, weil es einen Pfeiler des Wohlstands darstellt. Doch Europa, China und viele andere Nationen sollten eines nicht vergessen: Die USA weisen zwar ein riesiges Handelsbilanzdefizit bei Waren auf, doch sie sind Weltmeister beim Export von Dienstleistungen und Technologie.

Mögen Autos die deutsche und Elektronikprodukte die chinesische Achillesferse sein, sind Google, Facebook, Amazon, Microsoft und Co die amerikanische. Die USA haben in der Tech-Industrie ein gewaltiges Übergewicht und spielen es weidlich aus. Die Rückflüsse aus steuerschonend geparkten Auslandsgewinnen der Internetgiganten stopfen das Loch in der Handelsbilanz. Gerade in Zeiten erhöhten Datenschutzes und wachsender Steuergerechtigkeit stünde es den Partnern gut an, hier Zähne zu zeigen. Aus einem Handelsstreit gehen alle Länder als Verlierer hervor, ein Dienstleistungskrieg wäre für die USA aber besonders schmerzhaft.

Man kann den Chef im Weißen Haus als Enfant terrible bezeichnen, der sich an keinerlei Etikette hält. Doch derzeit hat es den Anschein, dass sich der Poltergeist durchsetzt. Seine Strategie der Einschüchterung funktioniert nur, wenn man sich einschüchtern lässt. (Andreas Schnauder, 25.5.2018)