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Als Sandskulptur schaut Beethoven zwar grimmig. Mit der aktuellen Umsetzung seiner Werke aber wäre er zufrieden.

dpa

Immer wenn die Orchestergäste aus Cleveland den Wiener Musikverein beehren, wird der Goldene Saal mit Klangnoblesse geflutet. Allerdings so intelligent wie diskret. Die Fähigkeit des Cleveland Orchestra, dynamisch in intime Lautstärkebereiche vorzudringen und dennoch die Intensität zu halten, ist der Beleg für eine subtile Virtuosität. Mit im Angebot sind auch Exaktheit und Klarheit. Und mitunter, wie diesmal, mixt Chefdirigent Franz Welser-Möst eine gewisse Opulenz hinzu.

Das ist insofern bemerkenswert, als er bei seinem symphonischen Exkurs, den er "Prometheus-Projekt" betitelt, alle Symphonien Ludwig van Beethovens interpretiert. Die historisch informierte Deutungspraxis der letzten Jahrzehnte suchte ja den Vertreter der Klassik schlank, unsentimental und dramatisch zu verstehen.

Musik der Zukunft

Welser-Mösts Ansatz ist hingegen klangästhetisch sanftmütiger. Er sieht in Beethoven zwar einen revolutionären Utopisten, dabei allerdings einen Vorboten der Romantik. Es sei nicht mehr möglich, so Welser-Möst, Beethoven "mit dem inflationär sich ausbreitenden Begriff ,historisch informiert' aus der Sicht der Barockzeit" zu spielen.

Das Bemühen um "sogenannte Authentizität" bedeute "eine unangemessene historische Distanz, die den Werken Beethovens" nicht gerecht würde. Beethoven steckte gewissermaßen zu sehr in der Zukunft, als dass er auf seine Historizität reduziert werden könnte. Beethoven sei so eine Art Prometheus, der das Feuer der Innovation bringe.

Musikalisch verbreitet Welser-Mösts Ansatz dank des Orchesters speziellen Zauber: Harmlos ist dabei nichts. Tendenziell – schon bei der Ouvertüre zur Ballettmusik Geschöpfe des Prometheus wird es hörbar – ist ein Legatospiel zugegen, das die Gebundenheit innerhalb einer Phrase sucht.

Üppig besetzt

Auch bei der 1. Symphonie stellt sich solch Phrasierung allerdings nicht gegen die Ansprüche prägnanter Akzentuierung. Bei aller Opulenz wirkt also nichts klobig. Vielmehr verbreitet manche Passage eine klangliche Leichtigkeit, die nahe bei Mozart scheint.

Bei der 3. Symphonie wiederum – besetzungsmäßig noch üppiger dimensioniert – ist Beethoven dann quasi ein Zeitgenosse von Brahms, mitunter scheint gar Gustav Mahler melancholisch anzuklopfen. Dennoch hat etwa der erste Satz kantigen Drive. Der Ansatz ist eben vielschichtig und voller Kunstwillen. Es geht um die Verbindung von Sinnlichkeit und Strukturklarheit im durchaus flotten Tempo. Kompliment. (Ljubisa Tosic, 25.5.2018)