Letztlich ist es eine Lektion in Sachen Realpolitik für Donald Trump. Auf den letzten Metern vor seinem historischen Gipfel mit Kim Jong-un hat er lernen müssen, dass sich manche Konstanten nicht so schnell ändern, auch wenn er in dem für ihn so typischen Superlativ das Gegenteil verspricht.

Trump hat die nunmehr geplatzte Begegnung als eine Art Geniestreich verkauft, bei dem ihm gelingen werde, woran sich drei seiner Vorgänger im Oval Office die Zähne ausgebissen hatten. Er, der selbsternannte Meister des Verhandlungspokers, wollte als derjenige US-Präsident in die Annalen eingehen, der das nordkoreanische Atomprogramm begraben würde. Auf friedlichem Wege, durch Willensstärke und Geschick, schon bald dafür gewürdigt mit dem Friedensnobelpreis. Als sich abgezeichnet hat, dass die Realität nicht Schritt hält mit den Vorschusslorbeeren, hat er kalte Füße bekommen. Mit anderen Worten, er ist auf dem harten Boden der Tatsachen gelandet.

Naiv

Die Absage mit feindseliger Rhetorik Pjöngjangs zu begründen, wie er es in einem offenen Brief an Kim tat, führt am Kern der Sache vorbei. Relevanter ist: Nachdem er die Erwartungen in schwindelerregende Höhen getrieben hatte, konnte sich Trump kein Treffen leisten, das nicht mit dem von ihm selbst beschworenen Durchbruch enden würde. Der Optimismus, den er mit der ihm eigenen Großspurigkeit verbreitete, wirkt im Nachhinein so naiv, wie die Enttäuschung nach dem Schüren der Hoffnung umso krasser ausfällt.

Dabei war nie zu übersehen, welch tiefer Graben zwischen den Interessen der Amerikaner und jenen der Nordkoreaner klafft. Spricht Trump von der Denuklearisierung der Koreanischen Halbinsel, meint er die Verschrottung sämtlicher Atomwaffen in den Arsenalen Pjöngjangs. Spricht Kim davon, meint er, dass die USA im Gegenzug den atomaren Schutzschirm für ihre ostasiatischen Verbündeten einklappen. Vorerst ist der Brückenbau über den Graben gescheitert, und wie lange es bis zum nächsten Anlauf dauert, wagt im Moment niemand zu prophezeien.

Vielleicht hat man im Oval Office tatsächlich geglaubt, Nordkorea durch den massiven wirtschaftlichen Druck einer internationalen Phalanx zum Einlenken zu zwingen, ohne selbst Zugeständnisse machen zu müssen. Vielleicht haben Optimisten in aller Welt in der notorisch unberechenbaren Kim-Dynastie auf einmal, unter dem Eindruck der Annäherung an die Südkoreaner, einen potenziell verlässlichen Partner gesehen. Die Blütenträume sind nicht gereift, weil sich nichts geändert hat am Wesentlichen: Im Besitz von Kernwaffen sieht das Regime eine politische Überlebensgarantie.

Sand im diplomatischen Getriebe

Ihm das Schicksal eines Muammar al-Gaddafi vor Augen zu führen, wie Trumps forscher Sicherheitsberater John Bolton es tat, ließ an den sprichwörtlichen Elefanten im Porzellanladen denken. Dass der Libyer sein Nuklearprogramm kassierte, nur um ein paar Jahre darauf Macht und Leben zu verlieren, dient einem Kim Jong-un ja gerade als Menetekel. Entweder wollte Bolton dies nicht wahrhaben, oder er suchte die Provokation. Jedenfalls hat das Gerede vom Libyen-Modell zusätzlichen Sand ins diplomatische Getriebe gestreut. Die Rhetorik mag beigetragen haben zur Ernüchterung, den Ausschlag gab sie nicht. Die wahren Gründe gehen tiefer.

Zum großen Wurf ist Kim (noch?) nicht bereit. Trump wiederum kann es sich nicht leisten, der erste US-Präsident zu sein, der einem nordkoreanischen Autokraten die Hand reicht – und dann nichts Handfestes vorzuweisen hat. (Frank Herrmann, 24.5.2018)