Häupl geht, Ludwig kommt, der Michael bleibt.

Foto: APA / Georg Hochmuth

Michael Ludwig, der achte Wiener Bürgermeister seit 1945, führt den rot-grünen Pakt mit Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou fort.

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Wien – Michael Ludwig brach am Donnerstag mit einer Tradition: Noch vor seiner offiziellen Kür zum Wiener Bürgermeister hielt er – auf eigenen Wunsch und formal noch als Wohnbaustadtrat – seine Antrittsrede im Gemeinderat. "Sie haben das Recht, sich ein Bild machen zu können", sagte er zu den Abgeordneten, und verlieh seiner Hoffnung Ausdruck, bei seiner Wahl auch Stimmen von FPÖ, ÖVP und Neos abstauben zu können. Diese hatten angekündigt, geschlossen gegen ihn zu votieren.

Ludwigs Plan sollte aufgehen: Er erhielt 56 von 100 Stimmen (eine davon ungültig). Damit müssen auch zwei Oppositionspolitiker in der geheimen Wahl für Ludwig gestimmt haben. Denn Rot-Grün verfügt über 54 Mandatare. Im Vorfeld wurde dem STANDARD von den Klubs der Parteien versichert, dass geschlossen für Ludwig gestimmt werde.

Michael Ludwig wurde zum Wiener Bürgermeister gewählt.
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Auch Ludwigs vier neue Stadtregierungsmitglieder erhielten locker die geforderten Mehrheiten. Veronica Kaup-Hasler (Kultur, 65 Stimmen), Peter Hanke (Finanzen, 59), Kathrin Gaal (Wohnbau, 58) und Sozialstadtrat Peter Hacker (57 Stimmen) punkteten auch bei der Opposition.

Sicherheit im Fokus

In seiner mit Spannung erwarteten Rede nannte Ludwig das Thema Sicherheit als einen der Schwerpunkte seiner künftigen Arbeit. Zwar sei Wien nach wie vor eine der sichersten Städte. Aber: "Die Menschen in unserer Stadt haben sich an die Hausordnung zu halten." Ludwig sagte, dass er auch mehr Polizei in der wachsenden Stadt haben wolle.

Das Thema Sicherheit sei aber nicht nur eines der Polizei. Das von ihm angestrengte Alkoholverbot am Praterstern verteidigte er. "Wenn ich entscheiden muss, für wen ich eintrete, für aggressive Alkoholiker oder für Frauen, die sich nicht wohlfühlen, die sich nicht sicher fühlen, dann brauche ich nicht nachdenken."

Michael Ludwig (SPÖ) stellt sich als Nachfolger von Michael Häupl (SPÖ) und neuer Bürgermeister den Mandataren vor.
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Bekenntnis zu Rot-Grün

Diese Bemerkung brachte Ludwig auch verhaltenen Applaus aus den Reihen der FPÖ ein. Ludwig gab auch ein Bekenntnis zur Fortführung der rot-grünen Koalition ab. Er sei "ein sehr treuer Mensch – im Privaten wie im Politischen." Es gebe noch zahlreiche Punkte aus dem Koalitionspakt zu erledigen.

Mit dem Lobautunnel bleibt aber auch ein großer Streitpunkt zwischen Rot und Grün bestehen. Ludwig bezeichnete die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, das unter Auflagen grünes Licht für den Tunnel gegeben hat, als "persönliche Genugtuung". Mit der Entscheidung werde der Transitverkehr aus der Stadt gelenkt. Gleichzeitig soll die "stadtverträgliche Mobilität" gefördert werden, vor allem der Ausbau von Öffis. Der Plan bleibe bestehen, bis 2025 den Autoverkehrsanteil in Wien von rund 27 Prozent auf 20 Prozent zu reduzieren.

Auch der seit 2014 diskutierte neue Busbahnhof soll laut Ludwig kommen. Wo genau sich der Terminal für Fernbusse befinden wird, verriet Ludwig nicht. Der von Experten favorisierte Standort beim Verteilerkreis wurde nichts, weil sich der Bezirk Favoriten dagegen aussprach. Zuletzt prüfte die Stadt die Waldmanngründe beim Hauptbahnhof.

Ludwig verteidigt Heimat-Begriff

Die Verwendung des Begriffs Heimat in seiner ersten Plakat-Welle verteidigte Ludwig. Er wolle, wie Steirer, Oberösterreicher oder Waldviertler, "auch stolz sein auf meine Heimat Wien". Zu seiner Verlobten Irmtraud Rossgatterer, die auf der Besuchertribüne Platz genommenen hatte, sagte er: "Das Einzige, was uns von der Hochzeit abhält, ist der Termin."

Letzte Rede von Bürgermeister Häupl

Vor Ludwig hielt Michael Häupl nach knapp 24 Jahren seine letzte Rede als Wiener Bürgermeister. Häupl erinnerte daran, dass seit seinem Amtsantritt 1994 die Bevölkerung Wiens um 20 Prozent gewachsen sei. Über die aktuell hohe Lebensqualität in der Stadt zeigte er sich stolz. Beim Umgang in der Politik ortete Häupl Verbesserungsbedarf. "Ich kenne keine andere Berufsgruppe, die so miteinander umgeht, wie Politiker." Häupl nahm sich selbst nicht aus – und entschuldigte sich bei jenen, die sich von ihm gekränkt oder beleidigt gefühlt haben.

Im Gemeinderat findet die Sitzung zur Wahl von Michael Ludwig (SPÖ) zum neuen Wiener Bürgermeister statt. In seiner Abschiedsrede mahnte Langzeit-Stadtchef Michael Häupl auch einen respektvolleren Umgang in der Politik ein.
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Häupl bedankte sich bei den Mitarbeitern der Stadt mit einem weiteren Bonmot: "Sie sind großartig – wenn sie wollen". Das Rednerpult verließ er mit den Worten: "Auf Wiedersehen." Standing Ovations von SPÖ, Grünen, ÖVP und Neos folgten. Die FPÖ-Mandatare blieben sitzen, nur vereinzelt wurde zaghaft geklatscht. (David Krutzler, Oona Kroisleitner, 24.5.2018)

Welche Wünsche und Erwartungen haben Wiener an die zukünftige Stadtpolitik? DER STANDARD hat sich in der Mariahilfer Straße umgehört.
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