In den vergangenen vier Jahren hatte ich zu Hause ein Spargel-Kochverbot. Im ersten Frühling, den die Australierin in Wien verbracht hat, habe ich beruflich bedingt so viel mit Spargelsuppe experimentiert (die anschließend gegessen werden musste), dass die Australierin beschlossen hat, Spargel leidenschaftlich zu hassen. Das Gemüse war fortan nicht mehr willkommen in unserer Küche. Mich hat das nicht sonderlich gestört, weil ich die Stange ebenfalls für überschätzt halte – dieses Frühjahr aber hat er ein fulminantes Comeback gefeiert, dank zweier ganz anderer Zutaten: vergorener Salzzitronen und Brimsen.

Für Gäste und unter strengbösen Blicken habe ich irgendwann Anfang Mai einen Bund dünnen grünen Spargel in die Küche geschummelt, kurz gebraten und mit vergorener Salzzitronencreme und slowakischem Brimsen serviert. Das deppensichere Gericht war so gut, dass es selbst die Australierin die alte Fehde hat vergessen lassen. Seither kommt es mindestens zweimal die Woche auf den Tisch.

Foto: Tobias Müller

Cremige Konsistenzen und Zitrusaroma sind klassische Spargelbegleiter, die sich etwa in der traditionellen (und fast unschlagbar guten) Hollandaise vereinen. Die beiden Gärprodukte Brimsen und Salzzitronen sind zwar weit weniger üppig, verleihen der klassischen Kombination aber eine überraschende Tiefe und Spannung, die nie unangenehm, aber immer interessant ist. Sie funktionieren besser auf dem herben grünen oder gar am spannenden wilden Spargel als auf seinem schmeichelnd-geilen weißen Bruder.

Salzzitronen sind eine in großen Teilen der Welt verbreitete Zutat. Klassisch werden sie mit so viel Salz eingelegt, dass sich mikrobakteriell nicht mehr viel in ihnen tut. Wer aber die Salzkonzentration stark senkt, kann dafür sorgen, dass die Zitronen zu gären beginnen – und meiner Meinung nach noch einmal besser werden. Sie brauchen, zugegeben, ein wenig Vorbereitungszeit. Wenn Sie aber jetzt damit anfangen, dann geht es sich vor dem Ende der Spargelzeit noch aus.

Ähnlich wie sich vergorene Salzzitronen zu frischen Zitronen verhalten, verhält sich echter Brimsen zu ordinärem Topfen: Er ist eine andere Liga. Glücklicherweise müssen Sie den aber nicht selber machen. Hier gibt's derzeit zum Beispiel hervorragenden Brimsen im Angebot.

Vergorene Salzzitronen …

Die vergorene Salzzitrone ist eine kulinarische Allzweckwaffe. Seit ich sie im Dezember das erste Mal angesetzt habe, ist sie zu meinem liebsten Spielzeug avanciert: Abgesehen von dem Spargelgericht habe ich damit bereits sehr erfolgreich Schwarzwurzeln glaciert, Hahnenbrüste mariniert, Kartoffeln verfeinert, Chimichurri und Mayonnaise abgeschmeckt und sie in diverse Salatdressings gemischt. Verwenden Sie sie überall, wo Sie sonst Zitronensaft benutzen würden, und machen Sie das Ergebnis viel besser.

Kaufen Sie schöne, unbehandelte Biozitronen (zum Beispiel hier) und vierteln Sie sie. (Falls Sie wissen, warum zahlreiche Salzzitronenrezepte die Zitronen nur bis zum Strunk einschneiden, die Vierteln dann aber nicht auseinandernehmen, posten Sie es bitte. Ich verstehe es nicht und finde es schlicht unpraktisch, weil man dann mehr Salz/Lake braucht, um die Früchte komplett zu bedecken. Auch die große Zitrusexpertin Katharina Seiser wusste übrigens auf meine Frage keine Antwort.)

Pressen Sie einige Zitronen aus, und fangen Sie den Saft auf. Sie wollen so viel Saft haben, dass die Zitronenviertel später davon mehr oder weniger bedeckt sind. Ich habe für mein gutes Kilo eingesalzene Zitronen drei oder vier genommen, ganz genau weiß ich es nicht mehr.

Salzen Sie die Zitronen großzügig. Lehrbuchmäßig wären es wohl etwa drei Prozent Salz vom Gewicht der Zitronen (ein Kilo Frucht, 30 Gramm Salz), ich habe das aber aus dem Handgelenk erledigt, und es hat wunderbar funktioniert. Im Zweifelsfall nehmen Sie lieber zu viel als zu wenig. Packen Sie die gesalzenen Früchte in einen Gefrierbeutel mit Zippverschluss, gießen den Zitronensaft darüber, quetschen möglichst viel Luft heraus und verschließen den Beutel. Am besten geht das, indem Sie ihn langsam im gefüllten Waschbecken unter Wasser drücken, während Sie ihn verschießen.

Foto: Tobias Müller

Legen Sie die Zitronen an einen zimmerwarmen Ort, an dem es nichts ausmacht, wenn sie etwas ausrinnen, und lassen Sie sie etwa drei, vier Wochen gären. Wenden und schütteln Sie den Beutel regelmäßig, sodass sich die Flüssigkeit ein wenig verteilt. Sollte er sich von den Gärgasen aufblähen, einfach öffnen, Druck ablassen und neu verschließen.

Foto: Tobias Müller

Nehmen Sie die Zitronenspalten aus der Lake und entfernen die Kerne. Pürieren Sie sie mit einem Pürierstab und ein wenig Gärflüssigkeit, bis sie eine cremige Konsistenz haben.

Foto: Tobias Müller

Füllen Sie die Creme in ein Glas, gießen Sie Olivenöl obendrauf, damit sie nicht mit Luft in Kontakt kommt, und lagern Sie sie im Kühlschrank. Meine hält sich dort problemlos seit sechs Monaten. Das Siegelöl ist übrigens ganz wunderbar für Salatdressings.

Foto: Tobias Müller

… mit Spargel und Brimsen

Ab jetzt geht alles sehr schnell. Den Spargel waschen und etwaige holzige Enden abschneiden. In einer Pfanne Olivenöl erhitzen und den Spargel darin auf beiden Seiten braten, bis er schön Farbe genommen hat. Noch in der Pfanne ordentlich pfeffern.

Foto: Tobias Müller

Auf einen Teller legen, mit Salzzitronencreme, Brimsen und vielleicht noch einem Schuss Olivenöl würzen und gleich oder etwas später lauwarm servieren. (Tobias Müller, 27.5.2018)

Weiterlesen:

Spargelbeschimpfung und Rhabarber-Rezept

Wer hat Angst vor Sauce Hollandaise?