Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) wird in den "Niederösterreichischen Nachrichten" gerne abgedruckt.

Foto: fellner

Das Glück ist ein 28 Ausgaben hoher Stapel zum Wochenbeginn. Zuverlässig und regelmäßig türmen sich alle regionalen Editionen der "Niederösterreichischen Nachrichten" ("NÖN") vor dem Schreibtisch des Niederösterreich-Korrespondenten – eines von zahlreichen Privilegien neben Fahrten nach St. Pölten auf Firmenkosten und Einladungen zum Bogenschießen mit Johanna Mikl-Leitner.

So oft, wie man gern möchte, ist man nämlich nie im Land, bei den Leuten – die "NÖN" vermitteln ein Gefühl für die Region. Zum Beispiel die Geschichte von fünf Frauen aus Melk, die jahrelang heimlich die Stadt mit gestrickten oder genähten Kunstwerken verzierten. Jetzt haben sie sich in der Wochenzeitung geoutet.

Enten und "Heil Heels"

In der Stadt Ebreichsdorf dagegen herrscht "politische Eiszeit", weil Oppositionspolitiker aus Protest gegen einen Stadtrat die Gemeinderatssitzung verließen. In Loosdorf betreut eine neue Firma die Strauchbeete im Ort, und in Pöchlarn wurde ein Fahrrad gestohlen. Das Entenpaar, das sich "seit geraumer Zeit" im Parkbad in Bruck an der Leitha eingelebt hat, genießt die noch besucherarmen Maitage. Die Mitarbeiter im Bad haben die Tiere Josef und Josefine getauft.

Unvergesslich auch der Beitrag einer Bloggerin unter dem Titel "Aus dem Leben der Stadtschamanin", in dem die Autorin erzählt, wie sie ihr eigenes Schuhwerk gerettet hat: Weil ihre Hüfte als Baby eingegipst war, konnte sich das Wurzelchakra nicht richtig entwickeln. Erst als sie vor einigen Jahren begann, High Heels zu tragen, war sie auch mit sich selbst wieder im Reinen. Titel des Beitrags: "High Heels – Heil Heels".

Kirche und Raiffeisen

Es wäre natürlich unfair, die reichweitenstarke niederösterreichische Wochenzeitung auf solche flauschigen Lokalnachrichten zu reduzieren (die im Übrigen in den jeweiligen Regionen höchst aufmerksam verfolgt werden). Vor allem in der Landeszeitung, dem überregionalen Teil der "NÖN", der allen Regionalausgaben beiliegt, wird es politisch.

Dort merkt man dann allerdings auch, wo die "NÖN" steht – und wem sie gehört. Mehrheitseigentümer ist die Erzdiözese St. Pölten, 20 Prozent hält außerdem eine Raiffeisen-Holding. Seit dem Vorjahr ist die reaktionär-katholische "Presse"-Kolumnistin Gudula Walterskirchen Herausgeberin. Das Cover und die ersten beiden Seiten füllt dementsprechend der neue Chef der Diözese St. Pölten im "großen NÖN-Interview mit Bischof Alois".

Schon auf der nächsten Seite lächelt ÖVP-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner auf einem Foto unter folgendem Titel: eine Variante der umstrittenen Waldviertelautobahn "könnte Niederösterreich weiter stärken". Ebenfalls sind der ÖVP-Landwirtschaftssprecher im Landtag, der ÖVP-Landesgeschäftsführer, die Direktorin des ÖVP-Bauernbunds und ein ÖVP-Landesrat auf der Doppelseite abgebildet.

Kaum etwas prägt Österreichs flächengrößtes Bundesland so sehr wie die Kirche und die Volkspartei. Wie und warum? Lesen Sie die "NÖN", dann verstehen Sie es. (Sebastian Fellner, 25.5.2018)