Bundeskanzler Sebastian Kurz (li.) und Tirols Landeshauptmann Günther Platter haben bei der genauen Ausformung der Kassenreform womöglich noch Gesprächsbedarf.

Foto: Florian Lechner Innsbruck

Wien/Innsbruck – Die Budget- und die Personalhoheit wandern mit der Reform der Krankenkassen von den Länderkassen zu der am Dienstag angekündigten und erst noch zu erschaffenden Österreichischen Gesundheitskasse: Das bekräftigt Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in seinem ersten TV-"Sommergespräch" (Mittwoch, 20.15 Uhr, Puls 4).

Den Einwand von Moderatorin Corinna Milborn, dass die Vertragshoheit und die Planungshoheit bei den Ländern verbleiben würden, bestritt Kurz vehement: "Bitte lesen Sie doch unseren Ministerratsvortrag", sagt er, "da steht ganz klar drin: Die Budgethoheit ist bei der Bundesstelle, die Personalhoheit ist bei der Bundesstelle."

Kurz vermutet in dem Gespräch auch, dass mancher Kassenfunktionär nicht nur aus lauteren Grünen Widerstände gegen die Reform hege – sondern auch, "um den einen oder anderen persönlichen Vorteil daraus zu ziehen": Teilweise hätten die Funktionäre, "wenn ein Bekannter von ihnen etwas gebraucht hat, ihnen einen guten Arzttermin verschaffen können". Im Ministerrat am Mittwoch wurde die Reform wenig überraschend abgesegnet.

Platter: Tiroler Beiträge für Tiroler Versicherte

Die gesamte Macht geben die Länder in den Krankenkassen nach der Reform allerdings nicht ab – zumindest geht Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) davon aus. Er erklärte der APA, dass die Tiroler Beiträge weiterhin "zu 100 Prozent" den Tirolern zur Verfügung stehen würden. Sie würden "keinesfalls in die Sanierung anderer maroder Kassen" wandern.

Die Beitragszahler würden das Leistungsvolumen weiterhin aus ihrem Bundesland erhalten. Die Landesstellen könnten auch künftig über Zu- und Abschläge sowie Projekte und Innovationen die für die Region relevante Steuerung vornehmen, erklärte Platter: "Nach einem gemeinsamen Gespräch mit dem Bundeskanzler bin ich positiv, dass diese für die Bundesländer relevante regionale Planung und Steuerung weiterhin möglich sein wird." Durch den Verbleib der bisherigen Rücklagen in den Bundesländern ist laut Platter auch gewährleistet, dass sich das bisherige Wirtschaften ausgezahlt habe und man so weiter Zukunftsprojekte in jedem Bundesland angehen könne.

Tiroler Kasse als "Musterschüler"

Für die Versicherten dürfe es keine Verschlechterung geben, so Platter: "Sie müssen die Profiteure der Reform sein." Zentrales Element sei die Leistungsharmonisierung, die in Zukunft dafür sorgen soll, dass es zu keinen unterschiedlichen Leistungen und Abgeltungen kommt. Dabei sei die Tiroler Gebietskrankenkasse immer "Musterschüler" gewesen.

Jetzt gehe es an die Verwirklichung des Gesetzes. Diesbezüglich verwies Platter auf die im Regierungsprogramm verankerte gemeinsame Vorgehensweise mit den Ländern: "Wir sind erst am Anfang eines Prozesses, den wir nun gemeinsam umsetzen müssen." Man werde bei der Gesetzeswerdung genau auf die einzelnen Punkte achten, so Platter, der Potenzial in den durch die Einsparung freiwerdenden Mittel sieht.

Vorsichtig positiv äußerte sich Patientenanwalt Gerald Bachinger. Er hätte allerdings eine Aufwertung des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger auf den Status einer Konzernzentrale mit entsprechendem Durchgriffsrecht bevorzugt, erklärte er im Ö1-"Morgenjournal" am Mittwoch.

"Nicht mit der Brechstange"

Der Chef des Sozialversicherungsträger-Hauptverbands, Alexander Biach, wünscht sich bei der Kassenreform einen Stufenplan, der als zweiten Schritt auch eine Leistungsharmonisierung zwischen unselbstständig Beschäftigten, Selbstständigen und Beamten bringt. Dass das teurer werde, "da sollte man den Menschen reinen Wein einschenken, auch die Politik", sagte er am Mittwoch im Ö1-"Mittagsjournal".

Generell zeigte er sich von Einsparungsversprechungen nicht begeistert: "Ich habe keine Lust, den Menschen irgendwelche Zahlenspiele vorzugaukeln. Das was zählt, das sind verbesserte Leistungen, und dass das System stabil ist." Wichtig sei bei der Fusion, "dass wir das diesmal klug machen und nicht mit der Brechstange". (red, APA, 23.5.2018)