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Frauen in Argentinien fordern den legalen Schwangerschaftsabbruch.

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Der grüne Schal wurde zum Symbol für die Bewegung.

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Eine Frau betritt in Buenos Aires eine Privatklinik. Anderswo in Argentinien geht ein Mädchen durch die Hintertür in eine kleine Praxis. Und in einem Dorf verschwindet eine Frau in einer Behausung mit improvisiertem Behandlungszimmer. Sie haben alle etwas gemeinsam: Sie gehen zu einem illegalen Schwangerschaftsabbruch. Werden sie erwischt, droht ihnen ein Strafverfahren. Der Unterschied: Die wohlhabende Frau wird in der Privatklinik nach modernen medizinischen Standards behandelt, bei Komplikationen sind alle notwendigen Mittel zur Hand. Die anderen rechnen nicht damit.

Je nach Quelle sterben in Argentinien jährlich zwischen 50 und 100 Frauen an den Folgen einer illegalen Abtreibung. Es sind fast ausschließlich Frauen aus armen Verhältnissen, die sich einen Abbruch in einer Privatklinik nicht leisten können. Dort kostet ein Eingriff zwischen 1.000 und 1.500 Dollar – ein Betrag, den viele Menschen nicht im Monat verdienen.

In Argentinien gilt Abtreibung als "Delikt gegen das Leben" und ist nur bei einer Schwangerschaft nach einer Vergewaltigung oder bei Gesundheitsgefährdung gestattet. 2004 schätzte das Gesundheitsministerium, dass bis zu 500.000 Abtreibungen pro Jahr geheim durchgeführt werden.

Der Embryo ein Argentinier

Eine neue Gesetzesvorlage will nun den Schwangerschaftsabbruch entkriminalisieren. Sie fordert eine "sichere, legale und kostenlose Abtreibung bis zur 14. Woche". Grünes Licht zur Debatte gab überraschend Argentiniens konservativer Präsident Mauricio Macri. Es sei Zeit für eine reife Auseinandersetzung. Er fügte aber an, er selbst sei "für das Leben". Seither vergeht kaum ein Tag, an dem nicht in Fernseh- oder Radiosendungen rege diskutiert und gestritten wird. In den sozialen Medien überschlagen sich die Kommentare dazu.

Als Anfang März der Gesetzesentwurf zur Legalisierung im Parlament eingereicht wurde, versammelten sich vor dem Kongresshaus einige Hundert Frauen mit grünen Halstüchern, die zum Symbol des Kampfes für einen legalen Abbruch wurden. Nur zwei Tage später, am Internationalen Frauentag, kam es zu landesweiten Protesten. Allein in Buenos Aires nahmen zwischen 200.000 und 350.000 Menschen teil. "Jede Frau soll selbst über ihren Körper entscheiden", stand auf Plakaten.

Massenproteste

Die Antwort war der "Marsch fürs Leben": Etwa zwei Millionen Menschen aus konservativen und religiösen Kreisen protestierten in über 200 Städten. Der Embryo sei ein Argentinier mit Rechten, den es zu schützen gelte.

Innerhalb von zwölf Jahren ist es der siebente Anlauf zur Legalisierung. Die vergangenen sechs Versuche endeten ohne Debatte in einer Schublade – zuletzt als Papst Franziskus Argentiniens Kardinal Bergoglio war. Er rief 2009 die Christen auf, "gegen die Kultur des Todes" zu kämpfen.

Auch in vielen anderen lateinamerikanischen Staaten ist Abtreibung nur unter gewissen Umständen legal. Dagegen wehren sich Frauen zusehends. Vergangenes Jahr wurden in Bolivien und in Chile die Abtreibungsgesetze gelockert. In Uruguay, Kuba, Puerto Rico und in Mexiko-Stadt ist eine Abtreibung in den ersten drei Monaten straffrei. Brasilien hingegen erwägt, wieder ein komplettes Abtreibungsverbot einzuführen.

Katholischer Widerstand

In Argentinien erhebt sich auch in katholischen Kreisen Widerstand. Schülerinnen einer katholischen Schule in der Provinz Buenos Aires trugen entgegen der Anordnung der Schulleitung grüne Halstücher und verbreiteten die Aktion in sozialen Medien, die "Katholischen Frauen für das Recht, entscheiden zu können" erklärten: "Man kann katholisch und gleichzeitig für Abtreibung sein. Auch wir Katholikinnen treiben ab."

Vanina Biasi, Vertreterin der Kampagne für ein Recht auf eine legale, sichere und kostenlose Abtreibung, sagt dazu: "Die Realität ist: Frauen treiben ab, ob der Abbruch legal oder illegal ist. Wir wollen die Zahl der Toten verringern." (Camilla Landbø, 21.5.2018)