Nataša Pirc Musar war fast zehn Jahre lang slowenische Informationskommissarin.

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STANDARD: Ein Argument der Skeptiker bei der Abschaffung des Amtsgeheimnisses ist, dass österreichische Beamte die Transparenz nicht gewohnt seien. Verstehen Sie die Vorsicht?

Pirc Musar: Wenn man diesen Standpunkt in einer Verhandlung akzeptiert, geht nie etwas weiter. Natürlich sind die Beamten gewohnt, im Geheimen zu arbeiten – aber so soll es nicht sein, genau darum geht es bei einem Transparenzgesetz. Der Staat arbeitet schließlich im Auftrag der Bevölkerung, er muss transparent sein.

STANDARD: Die Regierungsparteien ÖVP und FPÖ sagen nun, ein Informationsfreiheitsgesetz habe für sie keine Priorität.

Pirc Musar: Österreich ist bereits ein schwarzer Fleck in Europa, was Informationsfreiheit betrifft. Es ist eine Schande, dass die Dominikanische Republik, der Kosovo oder Serbien – Länder, die sich erst in der demokratischen Entwicklung befinden – Österreich hier weit voraus sind. Informationsfreiheit ist ein starkes Mittel, um Korruption zu bekämpfen. Keine einzige Regierung mag solche Gesetze – aber sobald Parteien in der Opposition sind, nutzen sie die Regeln, um die Regierung zu überprüfen. Und Journalisten können damit Berge versetzen.

STANDARD: Beim letzten Anlauf zu einer Abschaffung des Amtsgeheimnisses in Österreich war unter anderem ein Streitpunkt, ob es einen eigenen Informationskommissar braucht oder ob nicht auch bestehende Gerichte für die Einhaltung der Informationsfreiheit sorgen könnten. Braucht es eine Kommissarin, wie Sie es waren?

Pirc Musar: Ein Informationskommissar ist die beste Möglichkeit, Zugang zu öffentlichen Informationen zu garantieren. Spezialisierte Einrichtungen sind am kundigsten und viel schneller als Gerichte. Sie sind auch viel objektiver als Ämter – verweigert eine öffentliche Stelle eine Information, kann die Beschwerde dagegen bei der gleichen Stelle landen. Die kann kaum objektiv sein. Es geht auch um Geschwindigkeit: Informationen haben ihren Wert heute, nicht mehr in vier oder fünf Jahren. Ein Informationskommissar garantiert eine schnelle Bearbeitung, das ist seine wichtigste Funktion: Er kann wichtige Fälle vorreihen, Gerichte dürfen das nicht.

STANDARD: Ist ein eigener Kommissar besonders in Ländern wichtig, die eine Tradition der Amtsverschwiegenheit haben?

Pirc Musar: Definitiv. Slowenien hatte bis 2004 kein Gesetz für Informationsfreiheit. Als ich Kommissarin wurde, war mir bewusst, dass der schwierigste Teil der Durchsetzung des Gesetzes jener sein würde, die Mentalität im Land zu ändern – und den Menschen bewusstzumachen, dass sie ein Recht auf Informationen haben. (Sebastian Fellner, 22.5.2018)