Alle lieben das Internet, und Ärzte lieben es besonders. Ärzte lieben es, wenn ihnen Patienten mit einer fixfertigen Dr.-Google-Diagnose die Arbeit abnehmen ("Ich leide an einem milden Befall mit dem Ebola-Virus und verschreibe mir dreimal täglich 500 mg Aspirin C"). Ärzte lieben es auch, wenn sie auf Internetplattformen beurteilt werden und so die Möglichkeit zu einem wertvollen Austausch mit akademisch unverbildeten Vertretern der Heilkunst bekommen.

Denn seit es das Internet gibt, sind keine jahrelangen Studien mehr notwendig, um seine medizinischen Ansichten publikzumachen. Auch alle Arten von Laien melden sich mit oft erfrischend unkonventioneller Expertise zu Wort: Magistratsbeamte, die einen Riecher dafür haben, was ein guter HNO-Arzt eigentlich verschreiben müsste; Versicherungsvertreter mit einem Faible für Neurochirurgie; Installateure, die uns Kniffs und Tricks schildern, die sie bei ihrer Tätigkeit als Nebenerwerbskardiologen in der Nachbarschaft erworben haben. (Patente Jobwahl übrigens! Ein Kardiologe schaut ja auch nur nach, was in den Röhren drinnen los ist.)

Ich habe auf einer Beurteilungsseite recherchiert, was "das Netz" von einem Arzt hält, der mich interessiert. Die eine Hälfte der Notengeber hält ihn für gut ("weil er mir Antibiotika verschrieben hat"), die andere, Anhänger einer abweichenden therapeutischen Lehrmeinung, für schlecht ("weil er mir Antibiotika verschrieben hat"), der Durchschnitt für mittelmäßig. Als Auskunftssuchender bekommt man den wertvollen, weil polyperspektivisch ausgewogenen Tipp, dass dieser Arzt gut, schlecht und mittelmäßig ist. Oder das Gegenteil davon. Das ist bei der Arztwahl enorm vorteilhaft.

Sehr gut finde ich auch die Auskunft, dass ein Arzt "ein guter Diagnostiker" sei. Sie stammt stets von Leuten, die ihre Ärzte gewohnheitsmäßig mit einem Multiple-Choice-Test auf die Probe stellen ("Dreimal dürfen Sie raten, Herr Doktor: Leide ich mit meinen Symptomen an a) einem Bandscheibenvorfall, b) Migräne oder c) Paranoia querulans?"), und ist ebenso nützlich wie der Hinweis, dass ein Bäcker backen kann oder ein Tischler weiß, was Holz ist. Zudem: Der Besuch bei einem "guten Diagnostiker" verhindert zuverlässig, dass man bei Halsschmerzen einen Liegegips verschrieben bekommt. Informiertsein ist eben alles – und wie wären wir das ohne Internet? (Christoph Winder, 18.5.2018)