Der frischgebackene Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer (ÖVP) hat zum Amtsantritt ein Bekenntnis zu Pflichtmitgliedschaft und Sozialpartnerschaft abgelegt, gleichzeitig aber heftige Kritik an der Arbeitnehmerschaft geäußert. Er warf Gewerkschaft und Arbeiterkammer "Unternehmerbashing" vor und sprach im Zusammenhang mit deren Kampagne gegen die Ausweitung der Höchstarbeitszeit von "Gräuelpropaganda, die der Vergangenheit angehören muss".
Die Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft vida reagiert mit massiver Kritik. Vida-Chef Roman Hebenstreit (SPÖ) nennt Mahrers Aussagen "realitätsfremd und zynisch". Er stößt sich auch an der geplanten Senkung der Strafen bei Arbeitsrechts-Verstößen durch die Abschaffung des "Kumulationsprinzips" sowie die Forderung der Wirtschaft nach Lockerung des Gesetzes gegen Lohn- und Sozialdumping.
"Mit einer noch nie dagewesenen Unverschämtheit gegenüber dem Sozialpartner und den ArbeitnehmerInnen fordert die Wirtschaftskammer auch Alibisanktionen im Fall von gewerblichen Betrügereien", so Hebenstreit.
Mahrer stößt sich an der Unterschriftenaktion gegen die von der Regierung geplante und von der Wirtschaftskammer unterstützte Flexibilisierung der Arbeitszeit. Niemand wolle den Beschäftigten Überstundenzuschläge stehlen oder eine 60-Stunden-Woche auferlegen. Es gehe um eine bessere Anpassung der Arbeitszeit an die Auftragslage, sagt Mahrer. Als Unternehmerbashing wiederum erachtet der frühere Minister beispielsweise ein Video der Arbeiterkammer Oberösterreich, in dem ein Unternehmer als sexistischer Ausbeuter der Belegschaft dargestellt wird.
Trotz der Angriffe auf die Arbeitnehmer setzt Mahrer auf eine gute Zusammenarbeit und spricht von einer Umwandlung der Sozialpartnerschaft in eine "Zukunftspartnerschaft", in der Lösungsansätze für die großen Themen wie Bildung, Digitalisierung und Globalisierung ausgearbeitet werden. Dabei möchte der Nachfolger von Christoph Leitl auch verstärkt zivilgesellschaftliche Vertreter aus Kultur, Wissenschaft und NGOs an den Tisch holen. Mahrer: "Die Sozialpartnerschaft wird so stark sein, wie sie sein will."
Regierung an Taten messen
Dass sich die Kammerpositionen großteils mit der Regierungslinie decken und vielfach den Interessen der Arbeitnehmerschaft zuwiderlaufen, bestreitet Mahrer nicht. Allerdings will der Ex-Minister Ergebnisse sehen: "Wir werden die Regierung an ihren Taten messen."
Die Forderungen der Koalition nach einer Verschlankung der Kammern sieht Mahrer "entspannt" und verweist auf die eingeleiteten Reformen wie die Senkung der Umlagen um 100 Millionen Euro ab 2019. Dennoch gebe es viel Handlungsbedarf, insbesondere in der Ausbildung. Die Kammer soll die Unternehmen noch stärker beim Fachkräftemangel unterstützen. Mahrer will dazu die Lehre von einem dualen in ein triales System umwandeln – ergänzt um digitale Eigenschaften. (as, 19.5.2018)