In politischen Kreisen kursiert das stichhaltige Gerücht, H.-C. Strache versuche ernsthaft, mit dem Antisemitismus in sich und seiner Partei aufzuräumen. An einem Gipfelsieg auf dem österreichischen Läuterungsberg wurde er mit der Verbannung von der Gedenkfeier in Mauthausen zwar noch einmal gehindert, aber in der Folge trieben zarte Knospen einer Bewegung "Rettet Strache aus den Fängen seiner Partei" gleich an mehreren Stellen aus. Ein namhafter Historiker teilte die Meinung vieler Landsleute, in Strache walte ernsthafter Besserungswille, und ebenso namhafte Vertreter von Dichtkunst und Malerei verbanden Kritik mit der Bereitschaft, beim Bessern zu helfen, wenn es sein muss, sogar nächtens.

Das breite Interesse an spiritueller Reinigung kommt an dem Punkt von Straches Karriere vom Paintballer zum Vizekanzler gerade rechtzeitig, soll sie mit der provisorischen Rolle eines elastischen Mehrheitsbeschaffers für Sebastian Kurz doch nicht zu Ende sein. Leider ist es Strache bisher nicht gelungen, seine Wandlung zum philosemitischen Israel-Pilger den Anhängern so schmackhaft zu machen, dass tätige Bereitschaft zu erkennen wäre, ihm auf diesem Weg zu folgen. Regelmäßige juden- und ausländerfeindliche Entgleisungen beweisen das Gegenteil. Weit entfernt davon, ein politischer Herkules zu sein, steht er wie dieser an einem Scheideweg zwischen persönlicher Glaubwürdigkeit und dem rechtsextremen Bodensatz einer burschenschaftlich strukturierten Funktionärsclique.

Und weit und breit keine Historikerkommission, die ihm in diesem Dilemma zu Hilfe kommt! Vielleicht bedürfte es in dieser Situation nur eines kleinen Stupses – oder nudge, wie es modisch heißt – von außen, um Strache im Glauben an das intrinsisch Gute so weit zu stärken, dass er den judenfreundlichen Beteuerungen auch innerparteiliche Taten folgen lässt. An maßvollen Vorschlägen sollte es nicht fehlen.

Hilfreich wäre etwa die Auflösung der FPÖ in ihrer derzeitigen Gestalt und eine Neugründung unter Bedachtnahme auf die Tatsache, dass in der österreichischen Verfassung von Formen illiberaler Demokratie nirgends die Rede ist, wie sie derzeit von Funktionären der Partei als wünschenswert gepriesen werden. Eine solche FPÖ neu könnte endlich das werden, was Straches bisher unerfülltes Ideal ist – eine Partei, in der "kein Platz für Antisemitismus" ist. Ohne eine solche Neugründung ist nicht darauf zu hoffen, dass Strache sich durchsetzt. So ist die Bestellung von Gudenus in die Spitzenposition eines Klubobmannes ein Beweis entweder für seine innerparteiliche Schwäche oder dafür, dass er es mit seinem Antiantisemitismus nicht so ernst meint, wie manche Beobachter sich das erhoffen.

Auch erwartet niemand von Strache die Eröffnung eines "Muslim Welcome Service". Aber die Umlenkung der altgewohnten Judenhetze in Bild und Lied auf Menschen islamischen Glaubens ist keine zivilisatorische Verbesserung, sondern nur der schäbige Versuch, sich vom Verbrechen gegenüber einer Menschengruppe zu entlasten, indem man es auf eine andere Gruppe überträgt, weil es das freiheitliche Geschäft belebt. (Günter Traxler, 17.5.2018)