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Im Ersten Weltkrieg wurde Chlorgas erstmals als Waffe eingesetzt, bald jedoch durch wirksamere Giftgase verdrängt. Im syrischen Bürgerkrieg wurde Chlorgas trotz Verbots schon mehrfach verwendet.

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Untersuchungen der Organisation für das Verbot chemischer Waffen belegt nun einen weiteren Chlorgasangriff, bei dem im Februar Zivilisten verletzt wurden.

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Die Organisation für das Verbot chemischer Waffen, OPCW, kommt nach jüngsten Untersuchungen zu dem Ergebnis: Im syrischen Bürgerkrieg ist im Februar dieses Jahres erneut Giftgas eingesetzt worden. Wie die Experten berichten, seien in Sarakeb bei Idlib mindestens zwölf Menschen durch das Einatmen von Chlorgas verletzt worden. Untersuchungen zu einem weiteren mutmaßlichen Einsatz des Gases im April dieses Jahres, bei dem 40 Menschen getötet worden sein sollen, laufen noch.

Die Schwierigkeit im Nachweis derartiger Angriffe liegt weniger in der wissenschaftlichen Methodik als im eingeschränkten Zutritt zu den Orten des Geschehens: Die Inspektoren der OPCW – Chemiker, Mediziner und Waffenexperten – können ihre Arbeit wenn, dann oft erst mit großer Verspätung aufnehmen. Vor Ort werden nach einem strengen Protokoll Proben von Böden, Pflanzen sowie Blut-, Urin- und Gewebeproben mutmaßlicher Opfer entnommen und unter Verschluss gehalten. Die eigentliche Analyse wird dann im Labor der internationalen Organisation in den Niederlanden durchgeführt.

Extrem reaktiv

Chlorgas verflüchtigt sich zwar schnell, doch es ist extrem reaktionsfreudig. Diese chemischen Reaktionen lassen sich mehrere Wochen lang nachweisen, sagte Nuno Maulide, Professor für organische Synthese an der Universität Wien zum STANDARD. Eine Beseitigung solcher Spuren dürfte kaum möglich sein – sie lassen sich nicht nur in biologischem Gewebe, sondern etwa auch in Gewässern, auf Böden oder an Häuserwänden finden. Moderne Messgeräte sind inzwischen so empfindlich, dass sie von der Substanz bereits 0,2 Teile pro Million (parts per million, ppm) registrieren können. Zum Vergleich: In Swimmingpools liegt die Chlorkonzentration bei etwa zwei bis fünf ppm.

"Menschen nehmen Chlor durch Geruch ab drei ppm wahr, ab 30 ppm kommt es zu Vergiftungssymptomen", sagte Maulide. Diese beginnen mit Hustenanfällen und Erbrechen, bei 60 ppm kommt es zu schweren Lungenschäden. Ab Werten von etwa 600 ppm tritt schon nach wenigen Atemzügen der Tod ein.

Geschädigte Schleimhäute

Chlorgas weist eine höhere Dichte auf als Luft und sinkt daher zu Boden. Das macht es vor allem in Räumen und bei Windstille äußerst gefährlich. Zudem reagiert es sehr leicht mit Wasser und erzeugt dabei zwei Substanzen: Salzsäure und Hypochlorit. Beim Kontakt damit werden dementsprechend die Schleimhäute stark angegriffen. "In Gewebeproben von Betroffenen lässt sich leicht nachweisen, ob Schädigungen durch Chlor vorliegen", so Maulide. Zudem seien akute Symptome bei Betroffenen erkennbar, etwa starke Einschränkungen des Lungenvolumens.

Chlor ist eine der meistproduzierten Grundchemikalien. Die Herstellung von Chlorgas in größeren Mengen ist dem Chemiker zufolge ohne professionelles Labor aber kaum möglich: Zwar seien die Ausgangsmaterialien relativ simpel, doch bei der Elektrolyse könne es leicht zu Unfällen kommen. Auch die Handhabung ist gefährlich – so kommt es auch in Schwimmbädern immer wieder zu Chlorgasunfällen. (David Rennert, 16.5.2018)