Norbert Hofer und Heinz-Christian Strache. Die FPÖ-Spitze war bisher gegen Ceta und forderte eine Volksabstimmung.

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Christian Kern "ist in Brüssel umgefallen und im Liegewagen zurück nach Wien gefahren". Mit diesen Worten kommentierte Heinz-Christian Strache den vergeblichen Versuch des SPÖ-Bundeskanzlers im Herbst 2016, den Freihandelspakt der EU mit Kanada nochmal auf dem Verhandlungsweg abzuändern.

Es war eine andere Zeit: Strache war damals freiheitlicher Oppositionschef, inzwischen sitzt er in der Regierung. Ebendiese Regierung hat am Mittwoch grünes Licht für Ceta gegeben. Neben den ÖVP-Ministern stimmten auch die Freiheitlichen, die jahrelang gegen Ceta gekämpft hatten, dafür. Vorgehen und Argumentation der Blauen sind lehrreich.

Da ist zunächst Strache. Nein, das Ja der FPÖ zu Ceta sei kein Umfaller gewesen, sagte der Vizekanzler. Er sprach von einem notwendigen Kompromiss mit der ÖVP, ohne den die Koalition nicht zustande gekommen wäre. Auf den ersten Blick klingt das plausibel. Nur: Strache selbst hätte in der Vergangenheit ein solches Argument nie gelten lassen. Regelmäßig hatte er SPÖ und ÖVP für großkoalitionäre Kompromisse attackiert. Auch Kern hatte ja bei Ceta von Sachzwängen gesprochen, was Strache stets einfach wegwischte.

Die eigenen Maßstäbe gelten nicht

In Wahrheit hat der Vizekanzler nun demonstriert, dass seine harten Maßstäbe nur für andere, nicht für ihn selbst gelten. Das Argument mit dem Koalitionszwang darf man ihm daher nicht durchgehen lassen.

FPÖ-Politiker haben auch versucht, inhaltlich zu begründen, weshalb sie plötzlich für Ceta sind. Verteidigungsminister Mario Kunasek sprach davon, dem Abkommen seien "die Giftzähne" gezogen worden. Auf die Nachfrage, welche Giftzähne das gewesen seien, antwortete Kunasek nicht. Tatsächlich wurde das Ceta-Abkommen 2016 fertig ausverhandelt, seither hat sich nichts Wesentliches mehr getan.

Die fehlenden Giftzähne

Die FPÖ kampagnisierte aber noch vor wenigen Monaten im Wahlkampf gegen den Deal. Ob der Vertrag giftig ist oder nicht, liegt im Auge des Betrachters. Aber am Pakt selbst hat sich nichts mehr geändert, das ein blaues Ja rechtfertigen würde. Dass ein führender FPÖ-Politiker dennoch anderes behauptet, ist ein Ablenkungsmanöver. Oder Kunasek weiß nicht, wovon er spricht. Das wäre, da er Ceta im Ministerrat mit abgesegnet hat, nicht minder beunruhigend.

Die originellste Argumentation kam vom blauen Infrastrukturminister Norbert Hofer. Ja, er sei im Präsidentschaftswahlkampf gegen Ceta gewesen, aber gewonnen habe ja Alexander Van der Bellen, der pro Ceta sei. Das sei eine Richtungsentscheidung gewesen. Tatsächlich hatte sich auch Van der Bellen im Wahlkampf kritisch über Ceta geäußert. Aber einmal unabhängig davon fragt man sich: Übernimmt Hofer jetzt ansonsten alle Positionen Van der Bellens? Wird er als Nächstes auch die Flüchtlingspolitik Angela Merkels loben, weil Van der Bellen das tat?

Die blauen Politiker erwecken mit ihren kunterbunten Aussagen den Eindruck, es sei ihnen nie um die Sache gegangen. Die Partei hat den Ceta-Gegenwind genutzt, um Stimmung zu machen. Als diese Position dem eigenen Machtgewinn im Weg stand, wurde sie geopfert. Nach eigener Definition fährt Strache künftig im Liegewagen. (András Szigetvari, 16.5.2018)