Manfred Kölly auf seiner rasanten Suche nach dem Porzellanladen der burgenländischen Wahlordnung.

APA/Robert Jäger

Eines der spannenderen Projekte der vergangenen Jahre im politischen Burgenland ist zweifellos das 2010 aus der Taufe gehobene Bündnis Liste Burgenland (LBL). Keine Partei sollte das sein, sondern ein lockeres, zweckorientiertes Wahlbündnis kommunaler Listen, die sich zusammenschlossen, um Gemeindeinteressen in den Landtag zu bringen – ungefiltert, ohne Parteispin.

Solche Listenbündnisse leben kaum von ideologischen Ausrichtungen, dafür von starken Persönlichkeiten, mit denen sie stehen – und dann aber wieder auch fallen. Die Tiroler Liste Fritz ist so ein Beispiel. Von den mehr als 18 Prozent aus dem Jahr 2008 blieben 5,5 bei den heurigen Landtagswahlen. Das BZÖ, ein bundesweites Beispiel kunstvoller Listendrechslerei, überlebte seinen Gründervater Jörg Haider auch nicht.

Ob im Burgenland der LBL was Ähnliches bevorsteht, mag vorderhand noch in die Sterne geschrieben sein. Aber haarig ist es schon, was dem Listenstarter, -motor und -turbo, Manfred Kölly, da unterlaufen ist in Deutschkreutz.

Köllys Ungemach

Seit 2002 ist Kölly Bürgermeister dieser schönen, 3.000 Einwohner großen Hauptstadt des noch schöneren Blaufränkischlandes. Und weil im Burgenland die Bürgermeister ja direkt gewählt werden, darf man schon sagen, dass dieser Kölly – eine manchmal recht duracellhasenhafte Erscheinung – ein populärer, stets präsenter, umtriebiger und darum wohl auch zuweilen nerviger Bürgermeister war und ist; und zwar unbestritten selbst von den gegnerischsten seiner politischen Gegner.

Jetzt aber droht ihm ernstes Ungemach: die Wahlwiederholung. Und eine Anklageerhebung wegen Wahlschwindelei.

Wahl- und Verfolgungsbehörde

Die Kommunalwahlen vom Oktober des Vorjahres – 43 Prozent bekam seine Liste, er als Bürgermeister gleich 60 – erschienen der Eisenstädter Wahlbehörde jedenfalls manipuliert. Bei etwa 70 Wahlkarten seien, so ein grafologisches Gutachten, in einem ganz bestimmten Muster, mit gleichem Stiftdruck und gleicher Ausführung dieselben Personen – Kölly senior und Kölly junior – angekreuzt und damit bevorzugstimmt worden.

Untermauert wurde der Eindruck durch "Zeugenaussagen, die von der Landespolizeidirektion im Auftrag der Staatsanwaltschaft Eisenstadt und durch die von der Landeswahlbehörde ermächtigten Personen durchgeführt wurden", so Brigitte Novosel, Leiterin der Landeswahlbehörde.

Köllys Zuversicht

Die Entscheidung zur Wahlwiederholung fiel am 4. Mai. Vier Wochen lang läuft nun die Einspruchsfrist. Ob sie genutzt wird, weiß Manfred Kölly noch nicht. "Wir überlegen noch mit unserem Rechtsberater." Aber selbst wenn er die Entscheidung unbeeinsprucht lässt, wird die Wahl, dem nötigen Fristenlauf folgend, frühestens im September über die Bühne gehen.

Kölly ist – nicht ganz abwegig – siegesgewiss. Die Frage, ob er wieder antreten wolle, stelle sich gar nicht, wie man auch in Eisenstadt bestätigt. Es ist ja eine Wahlwiederholung: Dieselben Listen mit denselben Personen haben anzutreten.

Kölly und die Staatsanwaltschaft

Parallel zur und teilweise verschränkt mit der Landeswahlbehörde hat auch die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen aufgenommen. Denn dort muss die formale Wahlaufhebung der Wahlbehörde auf allfällige strafrechtliche Aspekte hin abgeklopft werden.

Kölly hat seine Aussagen schon gemacht. Als Beschuldigter. Nicht bloß als Wahlleiter, der er natürlich auch ist. Wie lange es bis zu einer allfälligen Anklageerhebung noch dauert, kann Sprecherin Verena Strnad nicht sagen. "Es sind weitere Erhebungsschritte geplant."

Bei den Vernehmungen belastete sich auch gleich eine Mitarbeiterin der Gemeinde selbst – und damit ihren Bürgermeister. Auch sie wird nun als Beschuldigte geführt.

Sauerbrunner Fisimatenten

Der zweite LBL-Abgeordnete im Eisenstädter Landtag ist Gerhard Hutter, seit 2002 Bürgermeister von Bad Sauerbrunn. Auch über ihm hängt noch das Damoklesschwert einer Anklageerhebung. Es geht dabei um zweckgebundene Bedarfsanweisungen des Landes in der Höhe von 50.000 Euro, die widmungswidrig aber für einen Mitarbeiter aufgewendet worden seien, der zugleich Pressesprecher des LBL war. "Ich habe meine Aussagen gemacht bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft", sagt Hutter, "gehört habe ich seither aber nichts mehr."

In Anzeigen gegossen wurden die anonymen Vorwürfe kurz vor der Gemeinderatswahl 2017. Gerhard Hutter – der in die LBL ein bisserl grünes Flair eingebracht hat – wurde gleichwohl mit 67 Prozent recht deutlich bestätigt. Was wohl wiederum Kölly nun bestätigt in seiner Zuversicht.

Wolfgang Rauter

Einer der Masterminds hinterm LBL war Wolfgang Rauter, einst pannonischer FPÖ-Chef. Nach der Landtagswahl 2000 kehrte er zurück in den Zivilberuf als Richter. Die politische Bühne betrat er erst wieder 2007, nachdem Manfred Kölly im Jahr zuvor aus der Partei ausgeschlossen worden war wegen eines Geheimpapiers des dreist postenschachernden rot-blauen Kölly-Pehm-Pakts. Die Kampfabstimmung gegen Johann Tschürtz um den Parteivorsitz verlor Rauter nur deshalb nicht, weil er seine Kandidatur überraschend wieder zurückzog.

Mit Kölly gründete Rauter schließlich die Freie Bürgerliste, 2010 dann daraus die LBL. Als Listenführer trat er auch an bei ihm daheim in Großhöflein. 2012 wurde er mit mehr als 61 Prozent gewählt.

Zwei Jahre später zog er sich, entnervt auch von den Eigenen, wieder zurück. Jetzt ist Großhöflein wieder unbestritten rot. Und Rauter seit dem Vorjahr in Pension.

In Ruhestand wohl nicht. Der untadelige Richter und gefinkelte Jurist mit reichlich Politik- und einschlägiger Verwaltungserfahrung (auch als kurzzeitiger Landesrat für Seilbahnwesen) wird dem Manfred Kölly und dem Gerhard Hutter wohl zumindest mit Rat zur Seite stehen.

Rauters rote Hilfe

Politisch hat sich Rauter allerdings schon wieder ein wengerl weitergedreht. Bei der Gemeinderatswahl 2017 unterstützte er in Eisenstadt medienwirksam den roten Bürgermeisterkandidaten Günter Kovacs. Bürgermeister Thomas Steiner, der schwarze, jetzt stramm türkise Landesparteichef, legte auf 60 Prozent zu (Kovacs auf 23 ab).

Und die Frage, ob Rauters Unterstützung ein Liebesdienst war oder ein Bärendienst, beschäftigt seither nicht nur die SPÖ Eisenstadt. (Wolfgang Weisgram, 17.5.2018)