Foto: Willem Popelier

Wien – Das Wetter spendierte einen dramatischen Himmel und ein paar Blitze. Gratis-Theatralik für den in schwarze Zeltplane gewandeten Mini-Lunapark vor dem Museumsquartier. Unheilvoll blinken die Lämpchen über den Rollbalken: "Phobiarama" – so heißt die erste Festwochen-Premiere dieser Saison. Der Niederländer Dries Verhoeven, so das Programm, lädt ein in eine "Geisterbahn des Unheimlichen und der neuen, von Politik und Terror geschürten Ängste unserer Gesellschaft."

Das Unbehagen vor Beginn, es speist sich aus der Spannung zwischen Wissen (Thema Terror!) und Nicht-Wissen, zwischen dem Betreten eines unbekannten Terrains und dem angekündigten Grusel – und freilich der Erwartung der "total experience". Denn der Theatermacher und bildende Künstler Verhoeven ist bekannt für das Schaffen von Erfahrungsräumen, das Involvieren der Zuschauer, ja das Zwingen in andere Perspektiven.

In einem Labyrinth aus oben offenen Hotelzimmern konnte man in You Are Here (2007) über die Spiegeldecke andere Besucher beobachten. (Eine Produktion, die 2009 bei den Salzburger Festspielen den "Young Directors Award" erhielt.) In dein reich komme (bei den Wiener Festwochen 2008) lud Verhoeven zu One-to-One-Konfrontationen mit einem völlig Fremden in einen Bauwagen. Tabuthemen griff er in Ceci n'est pas... (2013) auf: In Vitrinen im Stadtraum präsentierte er etwa ein schwangeres Mädchen, einen angeketteten Schwarzen oder einen betenden Moslem, letzterer übertitelt mit dem Kommentar "Dies ist nicht unsere Angst".

Dries Verhoeven

Statt Ängste schürt der Festwochen-Sprech Erwartungen. Der Schaukasten der Phobien allerdings ist so harmlos wie das sommerliche Wetterleuchten. Nach einem Tappen durchs Halbdunkel wird in einem Geisterbahn-Waggon Platz genommen. Es wird finster in der kargen, mit Kontrollmonitoren ausgestatteten Arena, die Fahrt beginnt. Und es braucht nicht viel Phantasie, um zu ahnen, dass die "Gespenster" aus den verschatteten Winkeln und Ecken kommen werden. Viel mehr darf aus dem Geisterhaus nicht "gespoilert" werden – nur so viel: Es wird ein Wiedersehen mit den Terror-Clowns aus dem Trailer geben, und nicht allein die Stimme des Bundeskanzlers wird die Fahrtzeit mit Worten zur "ungesteuerten Migration" verkürzen.

Hier fährt ein Szenario auf Schiene und die Inhalte in ihrer Hülsenhaftigkeit im Kreis. Zu klischiert, ja zu bekannt, sind die Folien, um zu überrumpeln, unsere unbewussten Ressentiments aus der Reserve zu locken oder gar dem Waggon und somit dem Lauf der Geschichte zu entfliehen. Keine Geisterbahn, sondern unverbindliches Stereotypen-Striptease. (Anne Katrin Feßler, 11. 5. 2018)