Washington/Budapest – Das US-Heimatschutzministerium droht Ungarn mit dem Entzug der Visa-Freiheit. Das berichtete die "Washington Post" am Donnerstag unter Berufung auf ein Behördendokument. Demnach haben rund 700 Personen illegal ungarische Originalpässe erworben – 85 davon hätten damit versucht, in die USA einzureisen, 65 sei das auch gelungen. 30 von ihnen seien im vergangenen Oktober noch im Land gewesen.

Ungarn ist seit 2008 Mitglied des amerikanischen Programms für Visa-Freiheit. Seither können Inhaber eines ungarischen Passes nach einer Online-Registrierung ungestört in die USA reisen. Untersuchungen der US-Behörden hätten gezeigt, dass die Personen nach dem illegalen Erwerb der Pässe die Identität des ursprünglichen Besitzers des Dokuments angenommen hätten.

Doppelstaatsbürgerschaften seit 2011 möglich

Demnach werden dabei vor allem ungarische Doppelstaatsbürgerschaften ausgenutzt: Angehörige der ungarischen Minderheit in den Nachbarländern können eine ungarische Staatsbürgerschaft erhalten, auch wenn sie nicht in Ungarn leben und arbeiten – auf diese Weise können sie auf legalem Weg einfach einen ungarischen Reisepass beantragen, der später gesetzwidrig weiterverwendet werden kann. Seit die Doppelstaatsbürgerschaften 2011 unter Ministerpräsident Viktor Orbán eingeführt wurden, haben laut US-Behörden bereits mehr als eine Million Menschen davon Gebrauch gemacht.

Bereits im vergangenen Oktober haben die USA dem Bericht zufolge Ungarn auf das Problem aufmerksam gemacht. Sie forderten demnach die ungarischen Behörden zur Ausarbeitung eines Aktionsplans innerhalb von 45 Tagen auf – bisher blieb der Wunsch aber unbeantwortet. Im April seien dann Vertreter des US-Heimatschutzministeriums nach Budapest gereist, um dort vor dem Entzug der Visa-Freiheit zu warnen.

"Noch nicht abgeschlossen"

Ein Sprecher der US-Behörde wollte sich aktuell nicht dazu äußern. Aus dem ungarischen Innenministerium hieß es nur, die Gespräche mit dem US-Heimatschutzministerium seien "noch nicht abgeschlossen".

Experten warnen unterdessen vor "einer ernsten Sicherheitsbedrohung". Stewart Baker, ein ehemaliger Mitarbeiter des US-Heimatschutzministeriums, sagte der "Washington Post", die häufigsten Gründe für das Verbergen einer Identität seien kriminelle – etwa Drogenhandel, organisiertes Verbrechen oder illegale Migration. Wenn Mitglieder von Terrororganisationen wie dem "Islamische Staat" oder Al-Kaida an solche Pässe kommen, sei das natürlich "besonders beunruhigend". Außerdem könnten auf diesem Weg ausgewiesene russische Agenten zurück in die USA gelangen. (APA, 11.5.2018)