Köhlmeier über Strache und Kurz.

ORF

Österreich kann Michael Köhlmeier dankbar sein. Mit seiner Rede anlässlich des NS-Gedenktags und nun auch mit dem ORF-Interview hat er den Finger auf jene Wunde gelegt, die im Land noch immer klafft: die mangelhafte Aufarbeitung der NS-Vergangenheit. Das fällt bekanntlich nicht nur der FPÖ und anderen Parteien schwer, sondern auch vielen Bürgerinnen und Bürgern. Köhlmeier agiert wie ein Nachhilfelehrer, dessen Schüler nicht verstehen, warum sie ein Nicht genügend bekommen haben. Nicht der Autor hat hier etwas unterlassen, sondern jene, die ihre Hausübungen nicht gemacht haben.

Es ist also völlig legitim, dass Köhlmeier nicht auf die Täter-Opfer-Umkehr reagiert, die von FPÖ und ÖVP – zuletzt auch von Bundeskanzler Sebastian Kurz – versucht wird. Nicht er hat eine Bringschuld, sondern jene, die ein Versäumnis nachzuholen haben.

Die FPÖ schafft es weiterhin nicht, trotz ihrer Ankündigung und trotz einzelner Aufrufe, ihre Vergangenheit wirklich glaubhaft aufzuarbeiten. Köhlmeier hat nun – im Stile eines guten Nachhilfelehrers – seine Hand gereicht und Hilfe angeboten. Wäre der FPÖ die Beschäftigung mit ihrer eigenen Geschichte ein wirkliches Herzensanliegen, würde sie nun auf das Angebot Köhlmeiers einsteigen, auch seine Unterstützung im "Kampf gegen alte Nazi-Elemente" anzunehmen. Tut sie das nicht, muss sie sich mehr denn je jene Kritik gefallen lassen, die Köhlmeier in seiner Rede geäußert hat.

Die ÖVP hat es vorerst verabsäumt, ihren Koalitionspartner noch stärker in die Pflicht zu nehmen. Der Seitenhieb Köhlmeiers auf die behauptete Schließung der Balkanroute durch Kurz wäre tatsächlich nicht nötig gewesen. Aber statt lange darüber zu streiten, ob diese Zuspitzung nun ein NS-Vergleich war oder nicht, was der Autor dementiert, sollte der Fokus nicht aus den Augen geraten. Es geht nach wie vor darum, dass Antisemitismus wie jener gegenüber George Soros nicht geduldet werden darf, dass Burschenschafter endlich ihre Liederbücher aus den Kellern holen und dass die sogenannten Einzelfälle dauerhaft verhindert werden. (Rainer Schüller, 9.5.2018)