Ich bin immer wieder fasziniert, was Menschen alles essen und essbar bekommen. Ganz besonders gilt diese Faszination Zutaten, die nicht bloß ungenießbar oder giftig aussehen, sondern es roh auch tatsächlich sind. Ich schätze, es war diese Faszination und Bewunderung, die mich dazu gebracht hat, mit Hühnerfüßen experimentieren zu wollen.

Während es nichts braucht als ein Messer und eine ordentliche Portion Zuversicht, um, sagen wir, eine Auster oder einen Seeigel zu essen, sind Hühnerfüße ein anderes Kaliber. Sicher, man kann sie einfach in der Hühnersuppe kochen und dann vom Knochen nagen – damit ein richtiges Gericht aus ihnen wird, braucht es aber deutlich mehr. Gemeinsam mit den stets unerschrockenen Gebrüdern S. habe ich mich vor ein paar Wochen an die Arbeit gemacht.

Foto: Tobias Müller

Wir haben uns für zweierlei vom Hühnerfuß entschieden: erstens gepoppte Hühnerfüße, ein Gericht, das der ältere Bruder S. vor Jahren einmal zubereitet hat und darauf seither sehr stolz ist. Und zweitens Phönixkrallen, mein liebstes Hühnerfußgericht und eine klassische Zubereitung von den Großmeistern des Hühnerfußkochens, den Chinesen. Die Füße werden erst frittiert, dann in einer Ingwer-Sternanis-Suppe gekocht, in einer Mischung aus Austern- und Sojasauce, schwarzen Bohnen, Knoblauch und Chili über Nacht mariniert und schließlich frisch gedämpft, bevor sie meist als spätes Frühstück serviert werden.

Am Ende dieses nicht schweren, aber doch langen Prozesses haben sie sich in eine subtile Köstlichkeit verwandelt: Die Haut und das Bindegewebe darunter sind weich, herrlich klebrig-glibberig und vollgesaugt mit all den köstlichen Gewürzen, zur geschmacklichen Freude kommt der Spaß, das alles von den kleinen Knochen zu nagen und saugen. Vor allem die fetten Fußballen zwischen den Zehen sind unwiderstehlich.

Der jüngere Bruder S. hat übrigens eine A4-große Plastikkarte der Firma Camerun Chicken Paw Specialists beigesteuert, auf der Hühnerfüße je nach Zustand (Amoniak Brand? Fehlende Zehen? Große schwarze Flecken?) in A, B, C und "To be Discard" (sic) eingeteilt werden.

Foto: TObias Müller

Die chinesischen Schriftzeichen darauf machen ebenfalls klar, für welchen Markt sie bestimmt ist. Wie und warum der Herr S. in den Besitz der Karte gekommen ist, weiß ich glücklicherweise nicht, es scheint aber, als wären meine wunderbaren Hühnerfüße von Erni und Erna bloß "Grade C" – nicht weil sie schlecht oder verletzt wären, sondern weil sie oberhalb des Knies geschnitten wurden. Die Logik "mehr Fuß, schlechtere Bewertung" hat mich anfangs verwundert. Nach dem Kochen verstehe ich die Chinesen aber: Der lange Knochen ist tatsächlich eher im Weg und wenig ergiebig.

Phönixkrallen oder frittierte, gekochte, marinierte, gedämpfte Hühnerfüße

Vorweg: Niemand muss sich davor fürchten, Phönixkrallen zu probieren. Sie sind geschmacklich weder fordernd noch speziell, sondern schlicht und einfach köstlich. Ich habe all meine englischsprachigen chinesischen Kochbücher konsultiert und leider nirgendwo ein Rezept für Phönixkrallen gefunden – das Interesse außerhalb Chinas scheint gering zu sein. Das Internet wusste aber wie immer Rat.

Meine Variante ist eine Mischung aus mehreren Online-Quellen, die mir sinnvoll und praktikabel erschien. Oft werden die Füße vor dem Frittieren in Maltose gewendet. Ich habe diesen Schritt ausgelassen, wahrscheinlich ein Fehler. Das Ergebnis war, zugegeben, nur ein Achtungserfolg: Geschmacklich war alles tadellos, bloß die Farbe war wenig ansprechend, und die Konsistenz der Sauce hat nicht gepasst – sie wollte einfach nicht ordentlich an den Füßen kleben. Ich habe mir beholfen, indem ich sie nach dem Dämpfen kurz mit etwas Maisstärke und Kochsuppe aufgekocht habe.

Ich bereue nichts, bin mir aber nicht sicher, ob ich es wieder versuchen werde. Wahrscheinlich werde ich sie zu Hause eher wieder in der Suppe kochen und meine Phönixkrallen-Lust eher im Dim-Sum-Laden meines Vertrauens befriedigen. Wer es auch einmal probieren und den Stolz auf den selbstgekochten Hühnerfuß fühlen will: hier mein Rezept, falls Sie kein besseres haben.

Für vier Esser brauchen Sie:

12 Hühnerfüße

2 Esslöffel Maltose (Malzsirup)

Ein daumengroßes Stück Ingwer, in Stücke gehackt und leicht angepresst

Die Wurzeln eines Bundes Koriander aus dem Asialaden

3 Stück Sternanis

4 Esslöffel Austernsauce

4 Esslöffel helle Sojasauce

2 Esslöffel schwarze Sojabohnen, in meinem Fall schwarze Bohnen in Chiliöl

1 Esslöffel chinesischer Kochschnaps

2 Knoblauchzehen, klein gehackt

1 gehackte Thai-Chili

Erst die Zehennägel bzw. das erste Zehenglied von den Hühnerfüßen abschneiden – mit einer Schere oder einem Messer geht das ganz leicht.

Foto: TObias Müller

Dann die Füße gründlich waschen, auf Küchenpapier legen und im Kühlschrank mehrere Stunden trocknen lassen. Das ist essenziell, weil Sie die Füße danach frittieren werden. Wenn sie nass sind, fliegen sie Ihnen mitunter um die Ohren.

Foto: TObias Müller

Erhitzen Sie ein, zwei Liter Öl in einem großen, schweren Topf, bis es so heiß ist, dass es blubbert und zischt, wenn Sie einen Hühnerfuß zu Testzwecken hineinhalten. Wenn Sie besser sein wollen als ich, mischen Sie die Füße jetzt mit der Maltose.

Frittieren Sie die Füße, bis sie schön braun sind, etwa fünf bis acht Minuten. Ich habe das aus Öl- und Platzgründen in zwei Durchgängen zu je sechs Füßen gemacht. Achtung: Sie kleben gern am Topfboden an. Rühren Sie immer wieder mit einem Metalllöffel. Heben Sie die Füße mit einem Schaumlöffel aus dem Öl und lassen Sie sie abtropfen.

Foto: Tobias Müller

Bringen Sie ein, zwei Liter Wasser in einem Topf zum Kochen und geben Sie den Ingwer, den Sternanis und die Korianderwurzeln hinein. Legen Sie die Hühnerfüße dazu, geben Sie einen Deckel drauf und lassen Sie alles etwa 90 Minuten sanft köcheln.

Foto: Tobias Müller

Währenddessen mischen Sie die Marinade aus all den restlichen Zutaten. Heben Sie die Füße aus der Suppe (aufheben!), lassen Sie sie kurz abtropfen und mischen Sie sie mit der Marinade. Am leichtesten geht das meiner Meinung nach in einem großen, dichten Gefrierbeutel. In den Kühlschrank legen und über Nacht ziehen lassen.

Foto: TObias Müller

Am nächsten Tag den Dämpfer anwerfen. Die Füße samt Sauce in einer Schüssel dämpfen, bis sie heiß sind, etwa fünf Minuten.

Foto: TObias Müller

Gemeinsam mit diversen anderen Dim Sums (Wonton? gebratene Teigtaschen? scharfe Kutteln?) servieren und mit Tee genießen.

Foto: tobias müller

Gepoppte Hühnerfüße nach dem älteren Bruder S.

Der ältere Bruder S. war erfolgreicher. Seine gepufften Hühnerfüße waren tatsächlich ziemlich gut – richtig gute Hühnerhaut-Cracker – allerdings hätten sie noch ein wenig Würze vertragen. Das nächste Mal täte ich sie zum Beispiel mit Sojasauce und ein wenig Chili vakkumieren. Das Rezept stammt aus Modernist Cuisine, die Sojasauce habe ich mir erlaubt, dazu zu schreiben.

Die Hühnerfüße gemeinsam mit Wasser und heller Sojasauce (Verhältnis 1:1, etwa 20 Prozent des Fußgewichts, also zum Beispiel je 50 Ml Soja und Wasser für ein halbes Kilo Füße) vakuumieren. 12 Stunden sous vide im Wasserbad bei 90 Grad garen.

Herausnehmen und die Knochen vorsichtig auslösen. (Das Buch empfiehlt ein Skalpell und Pinzette, ich bin aber sicher, Sie finden auch einen anderen Weg.) Die Haut drei Stunden bei etwa 100 Grad im Backrohr trocknen, bis sie sich hart und ledrig anfühlt.

In 190 Grad heißem Öl frittieren, bis sie puffen. Abtropfen lassen und sofort servieren.

Foto: Heinrich s.

(Tobias Müller, 13.5.2018)

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