US-Präsident Donald Trump verkündete am Dienstag nicht nur den Ausstieg der USA aus dem Atomdeal mit dem Iran, sondern setzte auch gleich diejenigen Wirtschaftssanktionen gegen das Land, die 2015 aufgehoben worden waren, wieder ein. Er wolle eine "umfassende und langfristige" Lösung für alle Probleme mit dem Iran.

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Wien – Es war eine Ansage ohne Wenn und Aber: Die USA ziehen sich aus dem Atomdeal mit dem Iran zurück, verkündete Präsident Donald Trump mit dem ihm eigenen Pathos am frühen Dienstagnachmittag (Ortszeit) im Weißen Haus. Und er werde sofort – was er nach seiner Rede unter Blitzlichtgewitter auch tat – die Wiedereinsetzung der Sanktionen gegen Teheran unterschreiben. Es handelt sich um jene Sanktionen, die im Laufe des jahrelangen Atomstreits mit dem Iran verhängt und 2015 nach Abschluss des JCPOA (Joint Comprehensive Plan of Action), wie der Atomdeal offiziell heißt, aufgehoben wurden. Andere US-Strafmaßnahmen gegen den Iran blieben ja trotz des Deals in Kraft.

Eigentlich wäre die Entscheidung über den "sanction waiver" – die Verlängerung der Aufhebung der Sanktionen – erst am Samstag fällig gewesen, Trump zog diese jedoch ein paar Tage vor. Seine Begründung für den Schritt, den er schon in seinem Wahlkampf angekündigt hatte, wird für Debatten sorgen: Er behauptete gar nicht, dass der Iran den JCPOA verletze, aber er führte an, dass es nun einen "definitiven Beweis" dafür gebe, dass der Iran gelogen habe, nämlich die von Israels Premier Benjamin Netanjahu vor einer Woche in einer bombastischen Präsentation vorgelegten Dokumente. Nun sind sich jedoch unabhängige Experten auf der ganzen Welt einig, dass diese Dokumente nichts Neues boten. Auch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien hatte die "Enthüllung" Netanjahus abgetan.

Trump breitete in seiner Rede einen umfassenden Anschuldigungskatalog gegen den Iran aus. Teheran sei weltweit der wichtigste Sponsor von Terror und unterstütze die Hisbollah, die Hamas, die Taliban und Al-Kaida (jene sunnitische jihadistische Organisation, die unter der Führung von Osama Bin Laden mit vorwiegend saudi-arabischen Attentätern 2001 die USA angriff und ab 2003 im Irak gegen die Schiiten und Amerikaner kämpfte, Anm.). Der JCPOA habe dem iranischen Atomprogramm nur schwache Beschränkungen auferlegt und öffne dem Iran à la longue den Weg zu Atomwaffen. Das werde er verhindern, er werde mit den Partnern der USA zusammenarbeiten, um eine umfassende und nachhaltige Lösung für die nukleare Frage und für alles andere zu finden.

Europäer blitzten in Washington ab

Trumps Entscheidung war erwartet worden, sie rief dennoch vor allem Bestürzung hervor. Alle anderen 2015 am Zustandekommen des JCPOA Beteiligten wollen diesen erhalten: die EU, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Russland und China. Die Europäer sehen die von den USA kritisierten Verhaltensmuster des Iran ebenso negativ: das ballistische Raketenprogramm, die Einmischungspolitik in vielen Ländern des Nahen Ostens und vor allem die militärische Präsenz in Syrien, die Unterstützung der libanesischen Hisbollah und anderer schiitischer Milizen in Syrien und im Irak und der Huthi-Rebellen in Jemen. Die Befürworter heben jedoch den Wert des Atomdeals in dem Bemühen darum, das iranische Atomprogramm, vor allem die Urananreicherung, einzudämmen, hervor. Wenn der Atomdeal tot ist, sei damit noch nichts anderes gewonnen, aber eine wichtige Nichtverbreitungsmaßnahme verloren, so ihre Argumentation.

Zuletzt hatten die Europäer auf gebündelte Diplomatie in den USA gesetzt: Der französische Präsident Emmanuel Macron, der einen besonders guten Draht zu Trump hat, war erst kürzlich zu einem mit Pomp begangenen Staatsbesuch in Washington, es folgte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel in ihrer nüchternen Art und zuletzt auch noch der britische Außenminister Boris Johnson. Sie alle blitzten in Washington ab.

Die Show stahl ihnen eindeutig der israelische Premier Benjamin Netanjahu, der vergangene Woche die von Trump erwähnten Dokumente zu iranischen Forschungen an Atomwaffenaspekten präsentierte. Der Auftritt Netanjahus verfehlte nicht seine Wirkung bei Trump. In Israel ist man jedoch keineswegs so einhellig gegen den Deal, wie Netanjahu das glauben machen will: Erst vor kurzem hatte niemand Geringerer als der israelische Generalstabschef Gadi Eizenkot angemerkt, der JCPOA "funktioniere". Aber auch Angehörige der Trump-Regierung, unter anderem der jetzige Außenminister Mike Pompeo, hatten kürzlich bestätigt, dass der Iran den Deal nicht verletze.

Beschränkungen ohne zeitliche Limits

Die Absicht des Atomdeals war, den Iran auf Jahre konstant von der nuklearen "Breakout"-Möglichkeit fernzuhalten. Diese wird erreicht, wenn ein Land so viel spaltbares Material besitzt, dass es durch Weiteranreicherung genügend waffenfähiges Material für eine Bombe herstellen kann. Deshalb darf der Iran unter dem Deal 15 Jahre lang nie mehr als 300 Kilogramm auf 3,5 Prozent angereichertes Uran im Land behalten. Von seinen 19.000 Urananreicherungszentrifugen wurden mehr als zwei Drittel stillgelegt. Diese Restriktionen beginnen jedoch nach circa zehn Jahren Laufzeit des Atomdeals zu fallen, deshalb werden sie von den Kritikern "sunset clauses" ("Sonnenuntergangsklauseln") genannt.

Trump soll verlangt haben, dass die Limitierung des iranischen Urananreicherungsprogramms auch über das Jahr 2030 hinaus besteht. Die Europäer, die in den vergangenen Monaten beim Iran die Möglichkeiten eines Entgegenkommens sondiert hatten, lehnen das jedoch ab. Die Aussicht, dass sie eines Tages fallen, war ein Anreiz für den Iran, den Beschränkungen – und den strengen Kontrollen, die auch nach Ablauf des JCPOA nicht enden werden – zuzustimmen. Der Iran wolle ein Urananreicherungsprogramm auf industriellem Niveau, um selbst Reaktorbrennstoff herzustellen, ist die Linie.

Der europäische Vorschlag war, über alles andere, was dem Iran vorgeworfen wird, in einem eigenen diplomatischen Strang zu verhandeln. Die EU-3, wie sie genannt werden (Großbritannien, Frankreich, Deutschland), konnten aber den USA nicht genügend Substanz präsentieren, um die Aussicht auf einen solchen Nebendeal glaubhaft zu machen.

Ungewisse Zukunft

Wie es weitergeht, weiß im Moment niemand: Auch wenn die anderen Beteiligten beim Deal bleiben, könnte für den Iran der Punkt kommen, dass er sich wirtschaftlich nicht mehr auszahlt. Denn international werden Banken und Firmen noch mehr als bisher davor zurückscheuen, Geschäfte mit dem Iran zu machen: Sie müssen befürchten, dass ihnen daraus in den USA Probleme und Nachteile erwachsen. Trump sagte in seiner Rede auch, die USA würden Sanktionen gegen jene Länder verhängen, die dem Iran bei seinem Atomprogramm helfen. Das ist aber ein sehr dehnbarer Begriff.

Aus dem Iran kamen unterschiedliche Signale, wie man reagieren werde. Der JCPOA, der der iranischen Bevölkerung weniger gebracht hat, als sie erwartete – die Begeisterung 2015 war groß –, verliert an Unterstützung. Der US-Austritt ist ein schwerer Schlag für die pragmatischen Kräfte im Iran. Es gab immer starke Gegner des Deals im Iran: jene aus ideologischen Gründen, aber auch solche, die unter den Sanktionen beste Geschäfte gemacht hatten. (Gudrun Harrer, 8.5.2018)