Im Nationalrat gibt es einen eigenen Ausschuss zur Mitwirkung an der EU-Gesetzgebung. Ein halbes Jahr nach der Wahl hat er seine Arbeit noch immer nicht begonnen. Das österreichische Parlament lässt seine Rechte in EU-Angelegenheiten konsequent ungenützt.

Der Ständige Unterausschuss in EU-Angelegenheiten stellt quasi den Maschinenraum der Mitwirkung des österreichischen Parlaments an EU-Vorhaben dar. Hier sollte das Gros der Vorschläge und Vorhaben begutachtet und diskutiert werden. Hier sollten die Stellungnahmen zu Vorhaben der EU, also vorwiegend zu den geplanten Richtlinien und Verordnungen, gegeben werden.

Der österreichische Durchschnittsbürger würde erwarten, dass in diesem Ausschuss die Interessen seines Landes umfassend wahrgenommen werden und der Nationalrat seine – von der Bundesverfassung vorgesehenen und sehr weitreichenden – Möglichkeiten zur Mitwirkung in EU-Angelegenheiten wahrnimmt. Umso ernüchternder fällt die Analyse dieser Ausschussarbeit seit den letzten Wahlen aus.

Am 9. November konstituierte sich der Ausschuss, und schon drei Monate später wählte man einen 2. Obmannstellvertreter und sogar einen 3. Schriftführer. Viel zum Mitschreiben gab es in den all den Monaten nicht. Denn außer einer grundsätzlichen Diskussion mit dem neuen für EU Fragen zuständigen Bundesminister Gernot Blümel im Februar hat dieses wichtiges Mitwirkungsgremium in EU-Fragen noch nichts getan.

Keine Sitzung bis Sommer

Ein Blick in die aktuelle Sitzungsplanung des Nationalrats zeigt auch, dass sich dies in nächster Zeit nicht wirklich ändern wird. Bis zum Sommer und der turnusmäßigen Übernahme des Vorsitzes im EU-Ministerrat am 1. Juli ist nämlich derzeit keine einzige Sitzung des Ständige Unterausschusses in EU-Angelegenheiten vorgesehen.

Jeder einzelne EU-Staat hat die Möglichkeit, Regeln erlassen, die eine Mitwirkung seines nationalen Parlaments bei EU-Entscheidung festschreibt. In Österreich gibt es dafür in der Bundesverfassung den Artikel 23e mit vergleichsweise sehr weitreichenden Regelungen.

Danach hat etwa das jeweils zuständige Mitglied der Bundesregierung den Nationalrat und den Bundesrat unverzüglich über alle Vorhaben im Rahmen der EU zu unterrichten und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Durch die Bestimmungen im sogenannten "EU-Informationsgesetz" wird die Bundesregierung zusätzlich angehalten, das Parlament frühzeitig über besonders bedeutende EU-Vorhaben zu informieren und auf Verlangen eines parlamentarischen Klubs detaillierte schriftliche Erläuterungen zu einem EU-Dokument vorzulegen.

Nationalrat und Bundesrat können zu jedem einzelnen EU-Vorhaben Stellungnahmen abgeben, an die das zuständige Regierungsmitglied unter bestimmten Voraussetzungen gebunden ist. Es darf davon nur nach Rücksprache mit dem Parlament bzw. unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen abweichen.

Hat sich der Nationalrat schon in der vergangenen Legislaturperiode nicht wirklich dadurch ausgezeichnet, dass er seine Mitwirkungsrechte in EU-Angelegenheiten aktiv wahrgenommen hätte, so ist mit dem Beginn der laufenden Gesetzgebungsperiode dies offensichtlich vollkommen zum Erliegen gekommen.

70 Minuten pro Monat

In den vorherigen vier Jahren hat der Ständige Unterausschuss im Durchschnitt monatlich rund 70 Minuten gearbeitet. Wenn man dabei bedenkt, dass der Ausschuss 19 Mitglieder umfasste und zumeist auch noch ein Regierungsvertreter geladen war, kann man sich die inhaltliche Tiefe vorstellen, mit der die jeweiligen EU-Vorhaben hier bisher schon diskutiert und entschieden wurden.

Seit dem Herbst umfasst der Ausschuss nun 21 Mitglieder unter dem Vorsitz von Reinhold Lopatka (und den drei Stellvertreter Doris Bures, Reinhard Eugen Bösch und Jörg Leichtfried). Statt europapolitische Entscheidungen endlich mitzugestalten und die Sicht des Nationalrats proaktiv zu vertreten, ist man nun stattdessen gar in völlige Schockstarre verfallen.

Angesichts der massiven Möglichkeiten, die sowohl das EU-Recht selbst wie auch die Bundesverfassung dem österreichischen Parlament zur Mitwirkung beim Erlassen von EU-Recht einräumt, ist der bisherige Output beschämend. Um der herrschenden und wachsenden Kritik an der EU zu begegnen, könnten das österreichische Parlament seine bestehenden Kompetenzen einfach mit Leben erfüllen. Dafür ist nicht einmal eine Gesetzesänderung nötig, nur eine simple Einstellungsänderung. Fürs Erste würde es schon reichen, wenn das zentrale Vehikel der Mitbestimmung, der Ständige Unterausschuss in EU-Angelegenheiten, öfter und regelmäßiger zusammentritt und sich auch die Zeit nimmt, anstehende EU-Vorhaben ausführlich und ernsthaft zu diskutieren. Die bisherige Praxis – einfach gar nicht zu tagen- sollte jedenfalls schleunigst geändert werden. (Stefan Brocza, 8.5.2018)