Krems – Fünf Stunden hat Axel Hütte oben auf dem 2400 Meter hohen Pass gewartet, bis er schließlich die Kamera auslöste: Da zog der Nebel auf und lässt nun das alte Kulthotel Furkablick, eine Herberge unweit des Rhonegletschers, so erscheinen, als stünde es in einem dunstigen Nirgendwo.

Furkablick, Schweiz, 1994
Foto: Axel Hütte

Ein inszeniertes Foto, sagt Hütte. Allerdings bestehen seine Inszenierungen darin, zu warten. Auf das richtige Licht – oder Tauwetter. Da vergehen auch schon mal drei Tage, bis ein zugefrorener See wieder aufbricht und die Eisschollen dem Fotografen perfekt erscheinen.

In den Bergen kann es aber blitzschnell gehen, dass das Wetter umschlägt und ein Unwetter aufzieht. Dunkel, fast schwarz, ragt der über 3100 Meter hohe Totenkopf der Glocknergruppe auf. Unüberwindbar scheint das Massiv, über dessen Grate wie über die Schultern eines Riesen bereits die Wolken wabern. Seine bedrohliche Erhabenheit, sie wirkt im monumentalen Fotoformat Hüttes noch intensiver.

"Alle Werke haben eine hohe emotionale Aufladung, obgleich sie in 'Cold Blood' aufgenommen sind", erzählt Axel Hütte in Krems, wo dem 67-Jährigen aktuell eine große Werkschau gewidmet ist. "Ich beobachte, warte, halte inne, staune und überlege mir dann, wie ich dieses Faszinierende der Bergwelt in ein Bild transfigurieren kann." Ihn fasziniert die Dramatik des Gebirges, und er ist dabei durch und durch Landschaftsfotograf, versteht also die Landschaft als Kultur des Sehens, als metaphorischen Ort und Sehnsuchtsraum.

Ortler, Italien, 2012
Foto: Axel Hütte

Hütte beschreibt seine Strategie etwa als "halluzinatorisch-realistisch" , weil er sich die Macht der Imagination zunutze macht, um Sachen, die gar nicht zu sehen sind – etwa das Gefühl von Weite auf einem von dichtem Nebel verhangenen Alpenpass -, zu erzeugen. Heute, wo die Fähigkeit der Fotografie zu Authentizität derart hinterfragt sei, ziele er "mehr auf die Vorstellung von Welt, nicht auf ihre Darstellbarkeit ab."

Gewässermalerei

Neben Andreas Gursky, Candida Höfer oder Thomas Ruff zählt Axel Hütte zu den erfolgreichsten und profiliertesten Vertretern der Düsseldorfer Fotoschule Bernd Bechers. Mit seinen Gemälden ebenbürtigen Tableaus gehört er aber zu den malerischsten von ihnen. Besonders deutlich wird das in der Kremser Schau in der Serie der Wasserspiegelungen.

Portrait #26, 2007
Foto: Axel Hütte

Tief im Wald liegen die stillen Weiher; stehende, dunkle Gewässer, beschattet von umstehenden Bäumen. Nur sanft darf sich die Oberfläche kräuseln, damit die Spiegelungen sich gut abzeichnen. Die Farben verschwimmen auf den Landschaften, die im Labor um 180 Grad gedreht werden – und daher nicht mehr auf dem Kopf stehen. Schlieren und Flecken ziehen sich über die Bilder, scheinen bisweilen sogar wie mit dem Pinsel aufgetupft. Im Detail sind es geradezu abstrakte Partien, die sich erst zusammen zu einer Landschaft addieren.

Um den Ausstellungstitel Imperial – Majestic – Magical zu komplettieren, fehlen zu den majestätischen Bergen und magischen Wasserreflexionen aber noch die imperialen Interieurs. Bibliotheken, Stifte, Klöster wie Admont, St. Florian oder Melk hat Hütte besucht und dort Bilder mit extremer Zentralperspektive geschossen. Menschenleere Kulissen, dennoch wähnt man sich vor einem Bühnenbild aus dem links und rechts Spielende hervortreten könnten.

Altenburg, Bibliothek, 2017
Foto: Axel Hütte

Welten scheinen zwischen diesem barocken Prunk und den 40 Jahre zuvor entstandenen nüchternen, beinahe tristen Tiefgaragen-Bildern zu liegen. Wenn da nicht dieser starke bühnenhafte Sog in den frühen Fotos läge. Und tatsächlich ist Hütte seit langem fasziniert von Piranesi, der in den Carceri ineinander verschachtelte Kerker gezeichnet hat. "Meine Innenräume sind von der perspektivischen Blickführung her stark manipulierend. So entsteht auch der Eindruck, dass man sich in das Bild hineinbewegen kann." Durchwegs spannend. (Anne Katrin Feßler, 6.5.2018)

#08, Düsseldorf-16, 1978-1980
Foto: Axel Hütte