Andreas Hagara, links am Steuer, und Roman Hagara, rechts am Steuer, 1999 im Training vor Sydney. Roman holte 2000 Gold.

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Andreas Hagara (53) führt seit 2010 den Golfclub am Attersee.

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Sehr gut, sagt Andreas Hagara, verstehe er sich mit seinem zwei Jahre jüngeren Bruder. "Wieso auch nicht?" Man telefoniert oft, sieht sich regelmäßig. "Natürlich hat sich unsere Beziehung im Lauf der Jahre verändert", sagt der 53-Jährige. "Und natürlich hat es auch Spannungen gegeben. Aber wir sind immer professionell mit der jeweiligen Situation umgegangen."

Die Situation, in der sich Andreas und Roman Hagara befanden, war jahrelang speziell. Beide zählten als Steuermänner im Segeln, Abteilung Tornado-Klasse, zur absoluten Weltspitze. Es gab Welt- und Europameisterschaften, die zu Hagara-Meisterschaften gerieten, einer holte Gold, der andere holte Silber. Allein das olympische Regulativ brachte es mit sich, dass nur ein Boot pro Nation, also auch pro Familie, an den Start gehen konnte. Ein Hagara war immer zum Zusehen verurteilt. 1996 sah Roman zu und Andreas wie ein sicherer Medaillengewinner aus, doch ein Materialbruch kostete ihn und Vorschoter Florian Schneeberger in Atlanta den Podestplatz. 2000 in Sydney und 2004 in Athen sah Andreas zu, wie Roman mit Vorschoter Hans-Peter Steinacher jeweils die Goldmedaille gewann.

Bitter

"Es war natürlich bitter", sagt Andreas und meint nicht die Triumphe des Bruders, sondern die Tatsache, dass er selbst damals nicht mitsegeln konnte. 2000 strich er als Vizeweltmeister, 2004 als Europameister die Segel. Beide Male war er Roman in der Ausscheidung knapp, aber doch unterlegen.

Am Anfang der Hagara-Geschichte steht ein Wohnmobil in Breitenbrunn am Neusiedler See. Die Hagaras aus Wien, übrigens entfernt verwandt mit dem Schlagersänger und Schauspieler Willy Hagara, haben damals, Ende der Siebziger, mit ihren zwei Buben und der um einige Jahre jüngeren Tochter Claudia jede freie Minute am See verbracht. Das waren feine Wochenenden und die besten Urlaube. Teure Flugreisen gingen sich nicht aus. Der Vater war Schlosser bei der Gemeinde, die Mutter in einer Glaserei angestellt. Das Segeln hat sich, trotz Seenähe, eher zufällig ergeben, Andreas sprang ein, als einem Bekannten der Segelpartner ausgefallen war. Der Bekannte steuerte, und Andreas dachte sich bald: "Das kann ich besser."

Dass er das Steuer übernahm und den "kleinen" Bruder Roman ins Boot holte, war fast aufgelegt. Von Anfang an waren sie mit kleinen, zweirümpfigen Katamaranen vulgo Hobie Cats unterwegs. "Die Geschwindigkeit hat uns schnell gepackt", sagt Andreas. Der Vater hat das Wohnmobil am See nicht mehr ganz so oft gesehen, weil er die Buben zu Regatten chauffieren musste, nach Kärnten, nach Salzburg, nach Bayern.

Die Hagaras wurden flott flotter. Sie übernahmen einen Tornado, der ramponiert von den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles zurückgekommen war, und richteten ihn mit Unterstützung des Vaters wieder her. 1987 holten sie vor Kiel überraschend WM-Gold. In der Olympia-Ausscheidung für 1988 (Seoul) hatten sie gegen Norbert Petschel und Christian Claus das Nachsehen, denen sie später aber den Rang abliefen. 1990 schmückten sich die Hagaras bei der Heim-EM in Breitenbrunn mit Gold und bei der WM in Medemblik mit Bronze.

Bei Olympia 1992 in Barcelona kamen sie als Siebente an. Danach sollten sich ihre Wege trennen. Die Hagaras hatten ein Gewichtsproblem. Sie waren zu leicht, um auch bei mittelstarkem bis starkem Wind im Tornado-Segeln reüssieren zu können. Also setzte sich auch Roman ans Steuer, beide suchten sich schwere, kräftige Vorschoter. Es wurde nicht mehr mit-, sondern gegeneinander gesegelt. Die Überlegung, in eine andere Klasse zu übersiedeln, kam bei keinem auf. "Wir haben uns gegenseitig gepusht", sagt Andreas, "im Training und bei der Materialentwicklung."

"Bruderzwist im Hause Hagara" – dieser und ähnliche Titel waren in Folge zu lesen. Andreas betont, das Verhältnis zu Roman sei immer gut gewesen. "Ich war eine Zeitlang sogar sein Trainer." Dass Andreas den Segelsport aber früher hinter sich ließ, lag auf der Hand, obwohl sich noch Abstecher ins Coaching und auf ein chinesisches America's-Cup-Boot ausgehen sollten.

Andreas hatte vier Jahre Gymnasium und drei Jahre HTL hinter sich, aber keinen Abschluss. Dank Bundesheer (Stützpunkt Linz bzw. Attersee) und Sponsoren wie Red Bull konnte er sich während der Karriere gut über Wasser halten. Als ein befreundeter Universitätsprofessor für Psychologie am Attersee eine Lehrveranstaltung abhielt, sorgte Hagara mit einem Segelkurs für Abwechslung – und lernte so Gabriele kennen, mit der er seit 1992 verheiratet ist. Schon vorher kauften sie ein Grundstück am Attersee und stellten ein Haus hin, das sie 1990 bezogen. Tochter Anna ist mittlerweile schon wieder aus dem Haus, sie hat bald fertig studiert und ist sportwissenschaftliche Betreuerin des Fußballvereins Austria Salzburg.

Ein besonderes Anliegen

Trotz Heirat und Haus war Andreas lange nicht sesshaft geworden, sondern des Sports wegen "200 Tage im Jahr unterwegs". Als das Angebot kam, bei der Planung eines Golfplatzes mitzuarbeiten, griff er zu. 2010 wurde er Geschäftsführer und Clubmanager, 2011 sperrte der GC am Attersee auf. Hagara selbst golft nur selten, mehr als zehn Runden pro Saison gehen sich nicht aus.

Es gibt immer etwas zu tun. Ein Hotelprojekt befindet sich in der Widmungsphase, und die Special Olympics, bei denen es im Juni um nationale Titel auch im Golfsport geht, sind Hagara ein besonderes Anliegen. "Wir wollen Inklusion wirklich großschreiben." Der wöchentliche Trainingskurs für beeinträchtigte und nicht beeinträchtigte Golfer soll unbedingt fortgesetzt werden. Zuletzt half Hagara mit, ein halbes Dutzend Blitzhütten hinzustellen, die sich auf den 18-Loch-Kurs verteilen. Das nächste Gewitter ist nur eine Frage der Zeit. (Fritz Neumann, 7.5.2018)