Tatort Einfamilienhaus. Manche Berichte enthalten Profile von Partnerinnen oder Ehefrauen, die die "Ausraster" der Täter erklären sollen.

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Mit einer feministischen Kolumne macht man sich nicht zwingend beliebt. Auch und gerade als Mann. Sie lebt weniger von großflächiger Zustimmung als davon, Dinge zu benennen, die verdeckt sind, unbequem oder wund. Dinge, bei denen LeserInnen durchaus den Eindruck gewinnen können, sie seien pauschalisierend und tendenziös formuliert oder gesinnungspolitisch motiviert. Aber bei allem gelegentlichen Ärger darüber, sich missverstanden zu fühlen: Mir als Autor von Meinungsstücken über durchaus strittige und kontroverse Themen ist das zuzumuten. Ich schone Sie ja auch nicht.

Bei sachlicher Berichterstattung zu einem Mord sollte man allerdings davon ausgehen können, dass abseits von persönlichen Überzeugungen beschrieben wird, was ist. Leider ist dem häufig nicht so. Tatsächlich sind solche Texte bisweilen tendenziöser als alles, was ich hier aufbiete. Insbesondere wenn es um Gewalt gegen Frauen geht. Bei mir wissen Sie zumindest, woran Sie sind. Ich belästige sie hier offen und offensiv mit meinen feministischen Überzeugungen, während Sie drüber bei heute.at angeblich mit News versorgt werden. Zu Mordfällen wie den an Ostern in Waitzendorf zum Beispiel.

Ein supernetter Täter

Über das weibliche Opfer "informiert" die Redaktion da, dass es mit seinen "49 Jahren penibel auf ihre Figur und ihr Äußeres" achtete. Über den mutmaßlichen Täter erfährt man hingegen, dass er eigentlich supernett ist und die Kinder weiter zu ihm stehen. Ein guter Mensch eben, der einfach kurz ausgerastet ist und seine Frau abgestochen hat. Kann ja mal passieren. Schließlich hatte das Opfer ja auch mit Scheidung gedroht und sich viel mit Diäten beschäftigt, da müssten so ein paar Messerstiche im Affekt doch nachvollziehbar sein, oder etwa nicht?

Nun kenne ich die Hintergründe der Tat nicht und habe keinerlei konkrete Einblicke in die Motivlage des mutmaßlichen Täters. Ich kann mir darüber hinaus sehr gut vorstellen, dass die Anwendung von psychischer und/oder physischer Gewalt Menschen jedweden Geschlechts in Situationen bringt, in denen sie sich mit Angst, roher Wut oder blinder Verzweiflung zur Wehr setzen. Aber um all diese Dinge geht es hier und in den vielen anderen Fällen, in denen unangemessen über Gewalt gegen Frauen berichtet wird, nicht. Wenn unter den Schlagworten "erweiterter Suizid" und "Familiendrama" davon berichtet wird, dass "zwei Kinder jetzt Waisen sind, weil ihr Vater die Beherrschung verlor", dann geht es darum, ein Gewaltverbrechen sprachlich zu normalisieren und zu verharmlosen.

Das männliche Monopol auf Familienauslöschung

Denn die Beherrschung zu verlieren bedeutet in diesem Zusammenhang nichts anderes, als dass der Täter sich schon zuvor mit Mühe davon abhalten musste, sein Opfer zu töten. Und auch wenn die Verantwortlichen glauben, dem Opfer gerecht zu werden, indem sie ihre "Berichterstattung" mit Beschreibungen wie "eine schöne Frau und sicher eine tolle Mutter" garnieren, zeigen sie damit doch eigentlich nur, wie tief sie und wir alle in dieser Problematik stecken.

Im Umkehrschluss hieße dies nämlich, dass bei einer hässlichen Frau, die keine so gute Mutter war, für alle nachvollziehbarer die Beherrschung hätte verlorengehen können. Nach dieser Logik ließe sich auch fragen, was das Opfer von Waitzendorf hätte tun müssen, um nicht ermordet zu werden. Nicht auf die Figur achten und sich nicht mit Diäten beschäftigen? Wobei das wahrscheinlich auch einen Anlass bieten könnte, sich beherrschen zu müssen. Am wichtigsten also: ihn nicht verlassen.

Der Schweizer Soziologe Walter Hollstein, der mithin jeglicher feministischer Umtriebe vollkommen unverdächtig ist, hat diesbezüglich schon vor Jahren angemerkt, dass das Monopol auf Familienauslöschung von Männern gehalten wird. Und zwar hauptsächlich auf die Ankündigung der Partnerin hin, die Beziehung definitiv beenden zu wollen.

Lösungsstrategien für Macht- und Kontrollverlust

Das sind die Fakten, mit denen wir uns zu befassen, und die Probleme, die wir zu bewältigen haben. Wir müssen dem Kreis der potenziellen Täter vermitteln, dass es andere Lösungsstrategien für Macht- und Kontrollverlust gibt als Gewalt. Und immer, immer müssen wir uns schützend vor die Opfer stellen. In einem früher erschienenen Beitrag auf heute.at zu dem Fall hieß es, es gelte die Unschuldsvermutung.

Das ist vollkommen richtig. Umso bemerkenswerter und erschütternder ist es, wenn die Verantwortlichen augenscheinlich daran erinnert werden müssen, dass diese auch für das Opfer gilt. (Nils Pickert, 6.5.2018)