Bratislava – Über 160 Journalisten aus dutzenden Redaktionen angesehener slowakischer Medien haben in einem am Donnerstag veröffentlichten Aufruf die aktuell angespannte Situation im öffentlich-rechtlichen slowakischen Rundfunk RTVS angeprangert. Öffentlich-rechtliche Medien dürften nicht mundtot gemacht werden, forderten die Signatare.

Nach dem Mord am Investigativjournalisten Jan Kuciak verfolge man das Geschehen im RTVS mit Beunruhigung, hieß es. Im Sender würden regelrechte "Normalisierungs-Zustände" herrschen, verursacht von Menschen, die vielmehr politischem Marketing als journalistischer Arbeit nahe stünden. (Unter "Normalisierung" verstehen Slowaken und Tschechen die Repressionen nach dem Prager Frühling von 1968.)

Redakteure würden zielstrebig schikaniert und eingeschränkt, es gebe Versuche, Konspiration und Propaganda in der Berichterstattung durchzusetzen. Kritische Reporter, die sich auflehnen, würden entlassen. "Das Abstempeln von Journalisten zu Feinden macht aus uns potenzielle Ziele weiterer Gewalt aus", beklagten die Journalisten.

Verschiedene Medien

Unterzeichnet haben den Aufruf unter anderem Mitarbeiter der Tageszeitungen Sme, Dennik N und Hospodarske noviny sowie der Nachrichtenagentur SITA, des Magazins Trend, des Fernsehsenders JOJ und des Nachrichtenportals aktuality.sk, bei dem der ermordete Aufdeckreporter Kuciak zuletzt arbeitete.

Die Leitung des RTVS wies alle Vorwürfe zurück. Die Situation im Sender sei standardmäßig und Kündigungen einiger Journalisten seien gängige Praxis bei jeder Führungsänderung in einem Medium, erklärte der Rundfunk in einer Stellungnahme.

Tatsächlich steht der RTVS aber schon seit der Wahl des neuen Generaldirektors Jaroslav Reznik letzten Sommer heftig unter Kritik. Seine Wahl im Parlament hatten die mitregierenden Sozialdemokraten und die Slowakische Nationalpartei (SNS) durchgesetzt, Reznik wird vor allem Nähe zur nationalistischen SNS nachgesagt.

Letzte Investigativ-Sendung gestrichen

Einer seiner ersten Schritte auf dem Posten war die Abschaffung der Fernsehsendung "Reporter", der letzten Investigativ-Sendung im RTVS. Nachdem im Anschluss die Chefs der Fernseh- und Hörfunkberichterstattung kündigten, setzte Reznik eine neue Leitung ein. Seit Monaten beklagen Mitarbeiter eine immer "feindseligere Stimmung", unter der sie arbeiten müssten.

Beunruhigung über die Zustände im RTVS äußerten neben der bürgerlichen Opposition auch die Journalistische Fakultät der Universität von Bratislava, die seit 60 Jahren angehende Journalisten ausbildet. Die Aufgabe von öffentlich-rechtlichen Medien, die Machthaber zu kontrollieren, sei nicht ersetzbar, erklärten dutzende Pädagogen und Mitarbeiter der Fakultät in einer Stellungnahme am Mittwoch.

Die "Normalisierung" im RTVS lehnen auch Teilnehmer der für Freitag erneut angesetzten Protestmärsche "Für eine anständige Slowakei" ab. Sie fordern unter anderem "anständige und unabhängige Medien, die keine Bediensteten politischer Parteien sind". (APA, 3.5.2018)