Wien – In der vierten Spielzeit von Anna Badora will das Volkstheater Wien Theater "in Verteidigung der Demokratie" machen – und zwar "vielfältig, widersprüchlich, kämpferisch", wie die Intendantin heute bei der Vorstellung des Spielplans für 2018/19 sagte. Dabei stehen u.a. sieben Ur- und Erstaufführungen auf dem Spielplan, darunter die Dramatisierungen der Romane "Opernball" und "Watschenmann".

Man wolle das Publikum dazu verführen, seinen Überzeugungen in "Begegnungen mit dem Widersprüchlichen, dem Anderen" probeweise und ungestraft untreu zu werden, denn "nur wer die Verführung kennt, kann auch aufrichtig treu sein", meinte Badora, die am 8. September mit dem "Kaufmann von Venedig" in eigener Inszenierung die Spielzeit eröffnet. Im Großen Haus werde ein Verhältnis 50/50 an inszenierenden Frauen und Männern "eine tolle Vielfalt" bringen.

Politshow "Verteidigung der Demokratie"

So inszeniert etwa Christine Eder mit "Verteidigung der Demokratie" eine Politshow mit Musik, die sich u.a. mit der österreichischen Bundesverfassung sowie den Grundfragen der Demokratie und des Parlamentarismus beschäftigt (Premiere: 18. Oktober). Die in Warschau lebende Schauspielerin und Regisseurin Barbara Wysocka (Badora: "Sie ist eine moderne Regisseurin mit Vorliebe für große klassische Stoffe. Um sie haben wir einige Jahre gekämpft.") inszeniert Schillers "Don Karlos", und Pinar Karabulut, die in dieser Saison mit Ibrahim Amirs "Heimwärts" im Volx/Margareten ihr Wien-Debüt gab, widmet sich "Endstation Sehnsucht".

Zum "politischen Herbst" (Dramaturg Roland Koberg) des Volkstheaters soll auch Grillparzers "König Ottokars Glück und Ende" beitragen. Dusan David Parizek werde das Habsburger-Stück wohl "aus anderer Perspektive erzählen", so Koberg. Ein Wiedersehen gibt es mit Regisseur Victor Bodo (er inszeniert Max Frischs "Biedermann und die Brandstifter") und mit Autor Ibrahim Amir. Sein Auftragsstück "Rojava" trägt den Namen des autonom verwalteten kurdischen Gebiets in Nordsyrien, der Heimat Amirs, im Titel. Es inszeniert Sandy Lopicic.

Roman-Dramatisierungen

Zu den zahlreichen Projekten für die Nebenspielstätte Volx/Margareten zählen Dramatisierungen der Romane "Opernball" von Josef Haslinger und "Watschenmann" von Karin Peschka, eine neues Stück von Sibylle Berg sowie das bei der EU zur Förderung eingereichte Projekt "Silver Surfer" über Senioren im digitalen Zeitalter. Die Tournee durch die Bezirke wartet u.a. mit dem Komödien-Klassiker "Der Raub der Sabinerinnen" auf, den legendären Theaterdirektor Striese spielt die langjährige Seele der Bezirkstournee, Doris Weiner.

Die Generalsanierung des Hauses wird nicht redimensioniert, nur nach Neuausschreibungen zeitlich anders gestaltet. Der Spiel- und Probebetrieb werde nicht beeinträchtigt, hieß es. Im Sommer wird zunächst die Kuppel saniert, der Teppich am Balkon durch Linoleumboden ersetzt und die Abflussrohre saniert.

Breiten Raum nahm schließlich die finanzielle Situation des Hauses ein. Im "Kurier" war kürzlich aufgrund von Gemeinderat-Anfragebeantwortungen von 56 Prozent Auslastung für das Kalenderjahr 2017 die Rede gewesen, der kaufmännische Geschäftsführer Cay Stefan Urbanek hatte bei der Vorjahres-Pressekonferenz von "zwischen 66 und 69 Prozent" gesprochen. Nun wollte er auf Nachfrage zur aktuellen Auslastungssituation "ungern eine neue Zahl in den Raum werfen", räumte aber ein, dass man das Auslastungsziel von 70 Prozent noch nicht erreicht habe. Als Grund dafür sieht man u.a. die schlechte Stimmung durch Werkstättenschließungen (Badora: "Ich wusste, das wird keine Sympathien in der Bevölkerung auslösen. Das war eine schmerzhafte, unpopuläre Maßnahme, die aber unumgänglich war.") oder Medienmeldungen, die eine im Haus spürbare Aufbruchsstimmung wieder zunichtemachten.

Mühen der Ebene

Sie sei geholt worden, um im Haus Veränderungen durchzusetzen und dem Haus ein anderes Profil zu geben, sagte Badora. Dies sei großteils auch gelungen, habe aber auch dazu geführt, "dass Teile des traditionellen Abo-Publikums uns verlassen". Im Gegenzug verkaufe man jedoch viel mehr als früher an der Abendkasse. "Wir sehen am Feedback, dass wir auf einem guten Weg sind. Die Mühen der Ebene sind aber vor uns, leider noch nicht hinter uns", sagte Urbanek, der sich zunächst "für großzügige Subventionen" bei der Stadt Wien und dem Bund bedankte (bei 16 Mio. Euro Gesamtbudget kommen laut Urbanek 5,1 Mio. vom Bund, 6,7 Mio. von der Stadt) – was in der Folge jedoch gründlich relativiert wurde.

"Die Herausforderung ist, dass seit gut eineinhalb Jahrzehnten die Subventionserhöhungen deutlich hinter der allgemeinen Teuerungsrate hinterherhinken. Wenn diese Politik der Vergangenheit fortgesetzt wird, werden wir wesentliche Einschnitte in unserem Programm vornehmen müssen", sagte Urbanek. "Das Minimum ist die Valorisierung", betonte Badora. "In drei Jahren haben wir dadurch fast 1 Mio. Euro weniger von unserem superschmalen Budget."

Normalerweise hätte man sich im März die kommende Dreijahres-Budgetierung "absegnen lassen", so die Intendantin, doch durch den kommenden Wechsel in der Stadtregierung seien derzeit keine auch für die Zukunft paktfähige politische Ansprechpartner vorhanden. "Alles ist wahnsinnig spät. Diese Budgetierung hängt für mich auch mit der Überlegung zu einer möglichen Vertrags-Verlängerung zusammen, ich finde das sogar wichtiger. Denn es wird auch eine Zeichen sein, wie ernst es den Subventionsgebern mit dem Volkstheater ist." Strebt Badora überhaupt eine Verlängerung ihres 2020 auslaufenden Vertrages an? "Das kommt darauf an. Wenn sich die kulturpolitischen Visionen der politisch Verantwortlichen mit unseren Vorstellungen nicht decken, hat es überhaupt keinen Sinn." (APA, 3.5.2018)