Anmelden oder abmelden? Seit wieder vermehrt über die elektronische Gesundheitsakte (Elga) diskutiert wird, häufen sich die Austritte aus dem System.

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Daten sind ein wertvolles und heikles Gut. Im Gesundheitsbereich können sie zur Heilung von Krankheiten, aber auch zur Diskriminierung von Gesellschaftsgruppen führen. Deshalb bedarf Datenerhebung der Sensibilität und einer offenen gesellschaftlichen Reflexion. Eine solche Debatte fehlt bisher in der von der Regierung nun durchgesetzten Weitergabe von Gesundheitsdaten für Forschungszwecke. Das neue Gesetz soll unter anderem Personen aus der Wissenschaft Zugriff auf die staatlichen Datenbanken und somit auf die pseudonymisierten Daten von österreichischen Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen. Diese Daten beinhalten auch jene der elektronischen Gesundheitsakte (Elga).

Das zuletzt vom Nationalrat verabschiedete Datenschutzanpassungsgesetz überrascht, denn es geht gegen die ursprüngliche Intention von Elga. Erstens, bei der Einführung von Elga 2011 wurde mehrmals versichert, dass "die Patienten immer selbst entscheiden können, wer welche Daten sehen darf", so Susanne Herbek, ehemalige Geschäftsführerin der Elga GmbH. Der österreichischen Öffentlichkeit ist noch die heftige Diskussion in Erinnerung: Dabei spielten die Selbstbestimmungsrechte der Patientinnen und Patienten eine zentrale Rolle. Durch die neue Vorlage der Bundesregierung könnte dieses Versprechen jedoch schnell aufgehoben werden.

Versprechen gebrochen

Zweitens galt das zentrale Anliegen der Elga GmbH der "Unterstützung der medizinischen Behandlung durch einen besseren Informationsfluss". Mit dem neuen Gesetz soll jedoch diese Datenbank als Forschungsregister erweitert werden und so nicht mehr direkt ausschließlich die Betreuung von Patientinnen und Patienten unterstützen, sondern über die Forschung zu allgemeinen Fortschritten im Gesundheitsbereich beitragen.

Für SPÖ-Gesundheitssprecherin Pamela Rendi-Wagner werden damit Versprechen gebrochen, und Harald Mayer, Vizepräsident der Ärztekammer, empfiehlt aufgrund dieser Änderungen einen Ausstieg aus Elga. Diese Reaktionen waren durchaus absehbar, spiegeln sie doch die Emotionen der damaligen Debatte wider. Ungeachtet der Proteste gegen die Einführung von Elga, wurde diese weitgehend als staatliches Infrastrukturprojekt mit stabilen Strukturen gesehen. Doch diese Infrastruktur hat sich verändert, aus diesem Grund ist eine offene Diskussion überfällig.

Breit diskutieren

Die Intention von Elga kann sehr wohl neu definiert werden, die Vorteile der Gesellschaft im Sinne der Forschungsentwicklung wären da, wie in den vergangenen Tagen berechtigterweise argumentiert wurde, unter anderem von Martin Kocher. Welche diese Vorteile jedoch genau sind, wer von einer möglichen Öffnung profitiert und welche möglichen negativen Auswirkungen es dabei zu bedenken gilt, muss durch eine breite öffentliche Diskussion mit den wichtigsten Akteuren dieser Veränderung geklärt werden. Und das sind die Bürgerinnen und Bürger.

Die Nutzung und Weitergabe von persönlichen Daten wird derzeit intensiv in Bezug auf Facebook und Cambridge Analytica diskutiert. Die dabei aufgeworfene Frage, inwieweit Daten weiterverwendet werden können, wenn es für diese Verwendungszwecke keine eindeutige Zustimmung gibt, betrifft auch Elga. Die neue Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) stärkt zwar die Zustimmungsrechte der Bürgerinnen und Bürger in Bezug auf Datenverwendung, zugleich ermöglicht sie aber Ausnahmen von diesen strengen Regeln für Forschungszwecke (u. a. Artikel 89). Ein klares Einverständnis von Bürgerinnen und Bürgern zu einer Verwendung von Daten für die Forschung muss jedoch vorhanden sein. Diese Praxis hat sich im Bereich der medizinischen Forschung europaweit als Standard etabliert.

Vermehrt Austritte

Seit Beginn der Debatte wurden wieder vermehrt Austritte aus Elga gemeldet. Dass eine derart grundlegende Änderung der Nutzungsmöglichkeiten persönlicher Gesundheitsdaten ohne öffentliche Diskussion und Konsens vorangetrieben wird, wirkt in der Tat für viele gefährlich. Nicht nur, dass die Gesellschaft ein Anrecht auf eine solche Diskussion hat, sie ist dafür bereit und fordert diese, wie die Reaktionen der letzten Tage zeigen, auch ein. Die seit zwei Jahrzehnten europaweit betriebene Forschung zu Gesundheitsdaten gibt eine klare Anweisung für diese Diskussion: Unterschiedliche Bevölkerungsgruppen wurden befragt und zu Diskussionsrunden eingeladen, partizipative Diskussionsformate wurden getestet. Die Öffentlichkeit will wissen, für wen diese Daten erhoben werden, wie sie aufgehoben werden, und wer auf sie Zugriff hat.

Zeit für Neues

Dass sich Datenerhebung, Speicherung und Nutzung weiterentwickeln, und mit ihr auch deren Erkennungsmechanismen, ist der Öffentlichkeit klar. Gerade deshalb sollen die Bürgerinnen und Bürger über Prinzipien, wie sie als Datenträger diese sich verändernde Diskussion mitgestalten können, sprechen.

Es ist Zeit. (Anna Durnová, Helmut Hönigmayer, Johannes Starkbaum, 3.5.2018)